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3. MPC-Verkehrssicherheitstage / Das Rettungswesen steht vor großen Aufgaben / Lange Wartezeiten sind ein Skandal

Geschrieben am 31-05-2010

Berlin (ots) - In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften am Gendarmenmarkt tagen seit heute
Verkehrsicherheits-Experten aus Politik, Wirtschaft und Verbänden
auf Einladung des Motor Presse Clubs (MPC). Einig war man sich, dass
bei allen Erfolgen, etwa dem Rückgang der Verkehrstoten in
Deutschland von 21300 (1970, Bundesrepublik und DDR) auf heute 4150,
es weiterhin eine vorrangige Aufgabe sei, diese Zahl weiter zu
reduzieren. Die europäischen Verkehrspolitiker haben als Ziel für
2020 eine weitere Reduktion der Toten um 40 Prozent ausgegeben, und
darüber hinaus gilt langfristig die Vision Zero, also ein Europa ohne
tödliche Verkehrsunfälle.

Dabei sei die Vision Zero als Strategie zu verstehen, sagte Dr.
Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats.
Es gehe auch nicht darum, gar keine Unfälle mehr zu haben, das werde
oft falsch verstanden. Thomas Burckhardt, ADAC-Vizepräsident für
Technik, pflichtet Eichendorf bei. Man müsse sich konkrete Ziele
setzen für konkrete Maßnahmen. Beide Experten halten das
hochgesteckte Ziel für machbar.

Einer, der daran arbeitet, ist Professor Bharat Balasubramanian
von der Daimler AG, dort zuständig für Produktinnovationen und
Prozeßtechnologien. Als Keynote-Speaker sprach er über den Weg zum
unfallfreien Fahren. Neben den bekannten Entwicklungen wie ABS oder
ESP arbeitet man bei Daimler zum Beispiel an einer
Spotlight-Funktion. Hier geht es darum, dem Fahrzeug beizubringen,
auf dunkler Landstraße einen Fußgänger in 120 Meter Entfernung zu
erkennen. Das ist früher, als es der Fahrer in einem stehenden Auto
über diese Distanz könnte. Ist der Mensch auf der Fahrbahn
detektiert, wird er vom Scheinwerfersystem angestrahlt, der Fahrer
muss also nicht wie bei heutigen Night-Vision-Systemen auf einen
Monitor achten. Zu den weiteren Themen, an denen Daimler arbeitet
gehört das Vernetzen der Autos untereinander, so dass sich die Autos
gegenseitig waren können, etwas vor Glatteis in einer Kurve.

Weil hier erst noch ein entsprechendes Kommunikationssystem
standardisiert werden muss, mag solche Technik noch etwas weiter weg
sein wie zum Beispiel der Lenkeingriff. Er könnte der nächste Schritt
nach ESP sein. Das elektronische Stabilitätsprogramm, von
Mercedes-Benz erstmals 1995 eingeführt, hat nachweislich zu einem
deutlichen Unfallrückgang geführt, der noch gesteigert werden könnte,
wenn idealerweise alle Autos eine automatische Bremse hätten, wie sie
bei Mercedes-Benz und anderen Herstellern gegen Aufpreis zu kaufen
ist. Wobei die Systeme (Distronic Plus und BAS Plus) nicht bis zum
Stillstand bremsen, sondern den Fahrer zunächst warnen. Erst wenn er
gar nicht reagiert, wird automatisch verzögert, und die Unfallfolgen
können gemindert werden. So könnte man 20 Prozent der
Auffahrunfälle verhindern und in weitere 25 Prozent der Fälle die
Unfallschwere minimieren. Jörg Breuer, Senior Manager bei
Mercedes-Benz für Aktive Sicherheit nannte an anderer Stelle im
Verlauf der Tagung dieser Zahlen. Schon ESP alleine reduziere die
Zahl der Alleinunfälle um gut 40 Prozent.

Ein Lenkeingriff könnte in bestimmten Situationen einen weiteren
Fortschritt bringen. So fahren bei Mercedes-Benz Prototypen, die
einem plötzlich auf die Straße tretenden Fußgänger ausweichen können.
Wobei vor dem Schwenk mittels Kamera in zehn Millisekunden eine
Freiraumanalyse erfolgt, dazu kann die Bahn nur um 80 Zentimeter
verlassen werden. Was aber ausreiche, um die Hälfte der
Fußgängerunfälle zu verhindern. In diesem Zusammenhang erinnerte
Unfallanalytiker Professor Hans Bäumler an die ungeklärte Rechtslage,
wenn ein solches System tatsächlich in Serie gehe. Hier müssten erste
noch die juristischen Voraussetzungen geschaffen werden. Bäumler
warnte zudem davor, die passive Sicherheit zugunsten der aktiven zu
vernachlässigen, er sehe täglich in seiner Arbeit, welche
Fortschritte hier gemacht worden seien.

Dass nicht alles Gold ist was glänzt, zeigte der
Tagungsschwerpunkt zur Unfallrettung. Zwar gelte das deutsche System
als eines der besten der Welt, doch Referent Professor Peter Sefrin
von der Universität Würzburg brachte die Teilnehmer zum Nachdenken.
Das Rettungswesen kranke an der fehlenden Zahl der (Not-)Ärzte und
leider auch am Kostendruck. Er selbst habe als Arzt im Einsatz an
Pfingstsonntag erleben müssen, wir er für einen schwerverletzten
Motorradfahrer eine Stunde lang herumtelefonieren musste, bis er ein
Krankenhaus hatte, das diesen aufnahm. Solange stand der
Rettungshubschrauber auf der Autobahn, und eine halbe Stunde musste
auch noch geflogen werden. In diesem Fall sei dies für den Patienten
nicht von Nachteil gewesen, sonst aber gelte die Faustregel, dass man
nach spätestens einer Stunde im Krankenhaus mit der Behandlung
begonnen werden sollte.

Zum Glück seien solche Wartezeiten noch nicht die Regel, sondern
an diesem Tag der Situation geschuldet (mehrere schwere Unfälle
gleichzeitig). Sefrin warnte eindrücklich davor, diesen Bereich zu
vernachlässigen. Er forderte endlich ein einheitliches
Bundesrettungsgesetz, jetzt gebe es 16 verschiedene mit zum Teil
unterschiedlichen Anforderungen. Bei den Rettungsdiensten, die nur
zwei Prozent der Gesundheitskosten ausmachen, sparen zu wollen, sei
der völlig falsche Weg. Auch die Bestrebungen, Rettungsdienste wie
ein Wirtschaftsunternehmen besteuern zu wollen, sei der völlig
falsche Ansatz. Professor Bertil Bouillon, Direktor der Klink für
Unfallchirugie in Köln-Merheim, pflichtete Sefrin bei und sprach gar
von einem Skandal. Es komme auch niemand auf die Idee, dass die
Feuerwehr kostendeckend arbeiten müsse. Zu den weiteren Problemen,
die sich nach schweren Unfällen auftun, sind die sogenannten Gaffer.
Sefrin: "Je mehr Leute zuschauen, desto weniger sind bereit zu
helfen." Die Experten waren sich einig, dass die
Erste-Hilfe-Ausbildung verbessert werden müsse. Am besten fange man
damit in der Schule an. Patentrezepte gebe es jedoch nicht. Eine gute
Nachricht konnte Professor Sefrin aber doch noch überbringen: Die
Feuerwehrleute, die gleichfalls oft Ersthelfer sind, bekommen in
Zukunft ihren eigenen Führerschein, der bis zu 7,5 Tonnen gilt. Seit
der Führerscheinnovelle für etlichen Jahren gilt der
Auto-Führerschein nur noch bis 3,5 Tonnen, was bei den oft schweren
Rettungsfahrzeugen bislang dazu führte, dass man den teuren
Lastwagen-Führerschein machen musste. Die Tagung wird morgigen
Dienstag fortgesetzt.

Originaltext: 3. MPC-Verkehrssicherheitstage
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/80298
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_80298.rss2

Pressekontakt:
Peter Finken
+48 511 535760
finken@pr-ps.de


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