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Neue Westfälische (Bielefeld): Die griechische Tragödie Schockstarre BERNHARD HÄNEL

Geschrieben am 05-05-2010

Bielefeld (ots) - Europa steht am Scheideweg. Treffender hätte
Angela Merkel die Situation Griechenlands, der Europäischen Union und
der Gemeinschaftswährung Euro nicht formulieren können. Doch
ausgerechnet an diesem Punkt der Entscheidung herrscht weitgehend
Ratlosigkeit, welche Richtung einzuschlagen ist. Das Kartenmaterial
ist veraltet, und die um Auskunft befragten Kundigen weisen in
verschiedenste Richtungen. In Griechenland herrschen Wut und Trauer.
Wütend sind die Griechen vornehmlich auf jene, die den Staatsbankrott
befördert haben. Finanzjongleure und Zocker, die auch schon mit ihren
dubiosen Geschäften die Weltfinanzkrise maßgeblich verschuldeten.
Diese Wut haben sie gemein mit Franzosen, Deutschen und Amerikanern.
Die Wut ist verständlich angesichts der ohnmächtigen Beobachtung,
dass Griechenlands Wohlhabende am Desaster der eigenen Nation
Milliarden verdienen. Sie kauften mit günstigen Krediten der
Europäischen Zentralbank griechische Staatsanleihen, die ihnen ein
Vielfaches an Profit einbringen. Diese Wut wird seit gestern
überlagert von Trauer über den grausamen Tod von drei Landsleuten in
einer von einem entfesselten Mob in Brand gesetzten Bank. Mit dieser
Brandstiftung wurde der Protest kriminalisiert und in einen direkten
Zusammenhang mit Mord und Totschlag gebracht. Dieses sinnlose
Verbrechen wird den Protest eindämmen. Spätestens jetzt muss das
Nachdenken beginnen über den eigenen Beitrag zur griechischen
Tragödie - etwa durch Steuerbetrug und -hinterziehung. Umfragen
zufolge lehnen ohnehin 60 Prozent der Griechen Streiks gegen das
Sparpaket ab. Längst hat die griechische Tragödie eine europäische
Dimension. Hätten die Zocker an den Börsen und in vielen Banken nicht
gierig längst neue Opfer wie Spanien, Portugal, Irland und Italien
ausgeguckt, wäre die Gesundung des griechischen Patienten mit
europäischen Hausmitteln kein Problem. Zumal dann nicht, wenn der
Staat die Banken in die Pflicht nähme. Deren angekündigte freiwillige
Beteiligungen sind allerdings eher ein Marketing-Gag als ein
ernstzunehmender Beitrag. Zu Recht sind die Deutschen besorgt, dass
die Politik die Finanzmärkte nicht unter Kontrolle bringen wird.
Angela Merkel formulierte das überraschend ehrlich im Bundestag, als
sie sagte, in letzter Konsequenz werde der Steuerzahler, also wir
alle, die Zeche zahlen. Zeit also, Nägel mit Köpfen zu machen und die
Banken in die Pflicht zu nehmen. Aus gutem Grund beharrt die SPD auf
einer Finanztransaktionssteuer. Finanzgeschäfte würden steuerlich
gleich behandelt wie der Austausch von Waren und Dienstleistungen in
der Realwirtschaft. Industriefirmen werden schon beim Kauf von
Rohstoffen und Vorprodukten über die Mehrwertsteuer vom Staat zur
Kasse gebeten. Spekulationen an den Börsen und Finanzgeschäfte werden
aber bislang nicht besteuert. Letztlich geht es nicht um mehr
Einnahmen, sondern um Gleichbehandlung.

Originaltext: Neue Westfälische (Bielefeld)
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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