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Neue Westfälische: Neue Westfälische, Bielefeld: KOMMENTAR Kultur des Rücktritts Eine Frage der Verhältnismäßigkeit CARSTEN HEIL

Geschrieben am 26-02-2010

Bielefeld (ots) - Ein Rücktritt ist schneller gefordert als getan.
Er ist niemals freiwillig. Immer geht diesem Schritt ein Skandal, ein
Versagen, eine große Aufregung, eine Niederlage voraus. Manchmal ist
es auch ein persönlicher Schicksalsschlag wie im Falle von Franz
Müntefering. Kurz: Die Umstände sind meist negativ. Manch Betroffener
macht sich noch im Rücktritt zusätzlich lächerlich. Wenn er sich an
seinen Posten klammert und meint, ohne sein Amt gar nicht mehr leben
zu können.
In dieser Woche hat Margot Käßmann gezeigt, dass es auch anders geht.
Mit großer Klarheit, mit Mut und Gradlinigkeit hat sie die
Konsequenzen aus ihrer Alkoholfahrt und den damit verbundenen
Umständen gezogen. Sie hat in diesem Alptraum damit nicht an ihrem
Amt, sondern an ihrer persönlichen Linie festgehalten. Vielleicht hat
sie damit in Deutschland eine Kultur der Verantwortung und des
Rücktritts begründet.
Sie hatte es allerdings ein bisschen leichter als andere. Die große
Mehrheit der Bevölkerung und ihre eigenen Gremien wollten sie als
Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende halten. Dieser Luxus ist
anderen Zurücktretern nicht vergönnt. Sie werden meist getrieben,
manche sogar gehetzt. Besonders bitter ist es in der Politik, wenn
die eigenen Parteifreunde die Messer wetzen und zum Rücktritt
drängen, weil sie selbst an die einflussreichen Positionen wollen.
Ein Schritt allerdings wie der von Margot Käßmann - mit immerhin
einem Stück Freiwilligkeit - ist in der Politik äußerst selten.
Rudolf Seiters hat ihn 1993 als Innenminister getan. Er hat für den
misslungenen Anti-Terror-Zugriff im Bahnhof von Bad Kleinen die
Verantwortung übernommen, obwohl er persönlich kaum unter Druck
stand. Er handelte honorig - und schöpfte daraus die Chance zu neuen
Höhen. Später wurde er Vizepräsident des Deutschen Bundestages, heute
ist er Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Wer aber in Schimpf und
Schande aus dem Amt gejagt wurde, werden musste, dem ist solch eine
Rückkehr verschlossen.
Andere Politiker stellten sich in der persönlichen Krise zwar vor die
Öffentlichkeit und übernahmen vollmundig die Verantwortung. Sie
wollten diesem Bekenntnis aber keine Taten folgen lassen. Jüngstes
Beispiel: Verteidigungsminister Franz-Josef Jung in der Debatte um
zivile Opfer im Afghanistan-Krieg. Ein erbärmliches Schauspiel über
Tage. Von dieser Art gibt es zahllose Beispiele. Keine Einsicht.
Zu einer Art Rücktrittskultur gehört aber auch die Debatte um die
Gründe für den Rücktritt. Wann und warum muss jemand von seinem Amt
zurücktreten? Manchmal entsteht der Eindruck, dass der Betroffene aus
rein politischen Gründen, nicht wegen der Schwere des Vergehens dazu
gezwungen wird. Nicht jede Kleinigkeit darf gleich die Höchststrafe
nach sich ziehen. Die Verhältnismäßigkeit ist ein wichtiges
Kriterium. Denn es geht immer um ein persönliches Schicksal. Das ist
jedoch schwer zu entscheiden. Oft entsteht in solch einer Situation
ein Furor.

Originaltext: Neue Westfälische
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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