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WAZ: Verspielt die FDP die NRW-Koalition? Anmerkungen zu Westerwelle - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 19-02-2010

Essen (ots) - In der Politik geht es manchmal sehr schnell. Noch
vor drei Monaten war die FDP ein strahlender Sieger, heute ist sie
ein Problemfall. Gut möglich, dass die Liberalen gerade dabei sind,
sich nicht nur in Berlin zu blamieren, sondern auch die Wiederwahl
der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf zu verspielen. Für die
Landes-Liberalen ist die Entwicklung tragisch: Sie regieren
zuverlässig und prägten die Regierung Rüttgers. Pinkwart und Co.
könnten schuldlos Opfer werden.
Nun sind die größten Tragödien jene, die man selbst verschuldet. Und
so trägt die Verantwortung für den Ansehensverlust der FDP keineswegs
die Opposition. Schuld ist auch nicht die Union, selbst wenn der
Vizekanzler und Parteivorsitzende dies gern so sieht. Das Malheur
trägt vielmehr seinen Namen: Guido Westerwelle hat die Liberalen
beinahe im Alleingang zu großen Erfolgen geführt, nun führt er sie,
wie es aussieht, gleichfalls im Solo nach unten. Genau in diesem
Zusammenhang muss man Pinkwarts Mahnung verstehen, die FDP habe nicht
nur ein einziges Gesicht. Es war eine saftige Schuldzuweisung.
Westerwelles Hartz-IV-Einlassungen sind für ihn blamabel. Nicht, dass
der Hinweis, den Sozialstaat nicht überzustrapazieren, nicht
berechtigt wäre. Er wird aber auch von niemandem bestritten, nicht
einmal vom SPD-Vorsitzenden. Ärgerlich ist etwas anderes: Ein
Liberaler, der für sich das Bildungsbürgertum als Kundschaft
reklamiert, darf sich für eine schnelle Pointe keinen historischen
Fehler leisten. Den Untergang Roms der damaligen Unterschicht
anzulasten, ist einfach nur peinlich. Sie wirft Westerwelle zurück
auf sein jahrelanges Image des Luftigen und Effektverliebten - ein
Schuss mithin ins eigene Knie. Ein Weiteres: Ein politischer Stratege
ist, wer es schafft, die Dinge vom Ende her zu denken. Das hat
Westerwelle unterlassen. Er stellt Fragen, auf die er keine Antwort
hat. So will niemand, auch nicht die FDP, die Sozialhilfe-Sätze
senken. Die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils macht den
Sozialstaat also in jedem Fall teurer und die Liberalen wissen nicht,
wie sie dies verhindern könnten. Was soll der Budenzauber dann? Hat
die FDP auch nur drei konkrete Rezepte gegen das Übel, das sie so
lauthals beklagt? Und dann: Sozialpolitik ist eine komplizierte
Angelegenheit, wer mit der großen Kanone unterwegs ist, trifft meist
daneben. Die Lage am unteren Ende der Gesellschaft ist nicht für alle
Menschen gleich, wie eine OECD-Studie herausfand, über die wir
gestern groß berichteten. Schließlich: Deutlich ist Westerwelles
Rollenkonflikt geworden. Ein Außenminister unterlässt besser
parteitaktisches Pöbeln.
Wenn es in Berlin so weitergeht, dürfen sich in Düsseldorf die Grünen
freuen. Und die SPD, der eine Chance in den Schoß fällt.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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