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Keine längeren Laufzeiten ohne Endlager

Geschrieben am 28-01-2010

Berlin (ots) - Geplante Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke
verstoßen gegen Grundgesetz - Wegen ungelöster Entsorgung darf nicht
mehr Atommüll erzeugt werden, als im Rahmen des Atomausstiegs
festgelegt wurde - Längere Reaktorlaufzeiten verletzen
verfassungsrechtliche Schutzpflichten des Staates

Längere Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke, wie sie die
schwarz-gelbe Bundesregierung derzeit vorbereitet, wären wegen der
nicht im Ansatz geklärten Entsorgung der hochradioaktiven Abfälle
rechts- und verfassungswidrig. Das ist das Ergebnis eines
Rechtsgutachtens, das die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) heute in
Berlin vorgestellt hat. Die Expertise kommt zu dem Ergebnis, dass die
Nutzung der Atomenergie dann in einen eklatanten Widerspruch zu den
verfassungsrechtlichen Schutzpflichten des Staates gerät, wenn die
2002 mit dem Atomausstiegsgesetz festgelegte Mengenbegrenzung der
Atommüllproduktion aufgehoben wird. Dies wäre bei einer
Laufzeitverlängerung der Fall.

"Wir erleben in diesen Wochen eine merkwürdig eindimensionale
Debatte über die angebliche Notwendigkeit längerer Reaktorlaufzeiten,
während gleichzeitig das grandiose Scheitern des Versuchs, schwach-
und mittelaktive Atomabfälle im Salzbergwerk Asse II dauerhaft zu
entsorgen, eingestanden werden muss", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer
Rainer Baake. Für die Entsorgung des um Größenordnungen brisanteren
hochradioaktiven Abfalls gebe es mehr als dreißig Jahre nach dem
Start der Erkundung des Salzstocks Gorleben keine belastbare
Perspektive. Nicht einmal die wissenschaftlichen Kriterien für die
Auswahl eines Endlagers seien abschließend geklärt. Die Frage, ob in
den 1970er Jahren nicht gänzlich sachfremde Erwägungen für die
Auswahl des Standorts Gorleben entscheidend waren, werde
voraussichtlich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des
Bundestages klären müssen. Im Ergebnis sei die Endlagerfrage in
Deutschland heute noch offener als zu der Zeit, als das
Atomausstiegsgesetz 2002 im Bundestag verabschiedet wurde.

Baake erläuterte, dass die 2001 zwischen der damaligen rot-grünen
Bundesregierung und den Atomkraftwerksbetreibern ausgehandelte
Vereinbarung über den Atomausstieg auch die Konsequenz aus der
Tatsache zog, dass für die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente
trotz jahrzehntelanger Bemühungen kein Endlager zur Verfügung stand.
Mit dem Atomausstiegsgesetz habe der Gesetzgeber damals die
Konsequenzen gezogen. In einer Abwägung zwischen den Schutzpflichten
des Staates für das Leben und die Gesundheit seiner Bürgerinnen und
Bürger einerseits und den verfassungsrechtlich geschützten
Eigentumsrechten der AKW-Betreiber andererseits habe das Parlament
gesetzliche Regelungen getroffen, mit denen der Betrieb von
Atomkraftwerken nur noch für einen begrenzten Zeitraum hingenommen
wurde. Die Reaktorbetreiber hätten die Laufzeitbeschränkung
akzeptiert und in der mit der Bundesregierung abgeschlossenen
Vereinbarung vom 14. Juni 2000 den Atomkonsens "als einen wichtigen
Beitrag zu einem umfassenden Energiekonsens" bezeichnet. Baake: "Wenn
der Staat jetzt unter dem Druck der Konzerne aber ohne Not eine
Laufzeitverlängerung beschließt, verletzt er seine Schutzpflichten,
indem er die Produktion von zusätzlichem Atommüll ohne geeignete
Entsorgungsmöglichkeit zulässt". Weil die erneuerbaren Energien Strom
aus Atomkraftwerken Schritt für Schritt ersetzten und Deutschland in
den vergangenen Jahren Rekordstrommengen ins Ausland exportierte,
seien auch keine "überragenden Gemeinwohlgründe" erkennbar, die gegen
die Vorsorge- und Schutzpflichten des Staates in Stellung gebracht
werden könnten.

Die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH und Autorin des
Rechtsgutachtens, Cornelia Ziehm, sagte, eine Laufzeitverlängerung
wäre auf Grund der auch in absehbarer Zeit ungelösten
Entsorgungsfrage für hochradioaktive Abfälle rechts- und
verfassungswidrig. Sie stünde im Widerspruch zur Nichterfüllung der
staatlichen Schutzpflichten aus Artikel 2, Absatz 2 (Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit) und Artikel 14, Absatz 1 (Recht auf
Eigentum) Grundgesetz sowie dem gemäß Art. 20a Grundgesetz gebotenen
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige
Generationen.

"Der Staat ist bis heute weit davon entfernt, seiner Schutzpflicht
genüge zu tun. Über 50 Jahre nach Schaffung der gesetzlichen
Grundlagen für die kommerzielle Nutzung der Atomenergie in
Deutschland ist ein Endlager für hochradioaktive Abfälle nicht nur
nicht verfügbar. Es fehlt nach wie vor bereits an einer realen
Endlagerperspektive für hochradioaktive Abfälle", sagte Ziehm. Damit
die Entsorgungsvorsorgepflicht des Bundes als erfüllt angesehen
werden könne, bedürfe es mindestens belastbarer Indizien, die auf die
Realisierung und Verfügbarkeit eines Endlagers in absehbarer Zeit
schließen lassen. Der Bund müsste zur Erfüllung der ihm obliegenden
Entsorgungsvorsorgepflicht eine realistische Planung über ein
bedarfsgerecht zur Verfügung stehendes Endlager für hochradioaktive
Abfälle sowie deren Realisierbarkeit darlegen. Das wiederum setze
einen positiven Eignungsnachweis sowie eine Aussage zur Auswahl des
bestmöglichen Standortes voraus. An beidem fehle es für den Standort
Gorleben. Mit einer - positiven oder negativen - Eignungsaussage für
den Standort Gorleben sei frühestens in 15 Jahren zu rechnen. Um eine
Aussage über die Auswahl des bestmöglichen Standortes treffen zu
können, sind zudem noch nicht einmal die ersten dafür notwendigen
Schritte durch ein Standortauswahlverfahren eingeleitet worden.

Sollte es jetzt ohne Vorliegen so genannter überragender
Gemeinwohlgründe zu einer Laufzeitverlängerung kommen, verletze der
Staat seine verfassungsrechtlichen Vorsorge- und Schutzpflichten,
indem er die Produktion von zusätzlichem Atommüll ohne geeignete
Entsorgungsmöglichkeit zulasse. "Die Bundesregierung kann nicht
länger so tun, als hätten Laufzeitverlängerungen und die über
Jahrzehnte verdrängten und unterschätzten Probleme bei der
Atommüll-Entsorgung nichts miteinander zu tun.Tut sie es doch, müssen
die Gerichte entscheiden", schloss Ziehm.

Hinweis: Das Rechtsgutachten "Ohne Endlager keine
Laufzeitverlängerung - zur Rechts- und Verfassungswidrigkeit einer
Laufzeitverlängerung" von Dr. Cornelia Ziehm können Sie unter
www.duh.de http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news
]=2131&tx_ttnews[backPid]=84 herunterladen.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 0151 55 01 69 43, Tel.: 030 2400867-0,
E-Mail: baake@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0160 94182496;
Tel.: 030 2400867-0, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 2400867-21,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


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