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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur gesetzlichen Krankenversicherung/Zusatzbeiträge

Geschrieben am 25-01-2010

Bielefeld (ots) - Eines ist bei der ganzen Aufregung um sechs,
sieben oder acht Euro Kassenbeitrag mehr im Monat zunächst einmal
festzuhalten: Wer krank wird, hat es im weltweiten Vergleich nicht so
schlecht getroffen, wenn ihm dies in Deutschland geschieht. Verfolgte
man etwa während der Schweinegrippe-Aufregung im Sommer die
Nachrichten aus der Industrienation Großbritannien, so musste der
Eindruck einer Hilflosigkeit von Gesundheitsbehörden und
Medizinerschaft entstehen, wie sie hier nur schwer vorstellbar wäre.
Auch in manchem südlichen Urlaubsort wird eine Allerweltsverletzung
immer noch schneller zum lebensbedrohlichen Ereignis, als man dies im
21. Jahrhundert annehmen sollte. Kann da für die deutsche
Vollversorgung ein Zusatzbeitrag zu viel sein, dessen Gegenwert sich
auf eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen beläuft?
Ja, weil nämlich einseitig die Versicherten belastet werden sollen.
Das sind die Bürger inzwischen zwar gewohnt, aber dadurch wird es ja
nicht richtiger.
Nun mag man es für naiv halten, ausgerechnet von Philipp Rösler,
Gesundheitsminister der offenkundig lobbyismusanfälligen FDP, den
Frontalangriff auf die Pfründe von Pharmaindustrie und Ärzteschaft zu
erwarten.
Dennoch sei das Gedankenspiel erlaubt, es herrsche Gerechtigkeit im
Gesundheitssystem: Dann würde mancher Facharzt mit sechsstelligem
Einkommen es sich zweimal überlegen, ob er sich am traditionellen
Stöhnen seines Berufsstandes über zu geringe Bezahlung beteiligt.
Dann würden Medikamentenhersteller als Beitrag zur Kostendämpfung mal
ein paar Solidaritätseuro Nachlass pro Medikament gewähren. Dann
würden auch Patienten nicht mehr bei jedem Husten zum Arzt rennen und
dem Mediziner so lange auf die Nerven fallen, bis er ihnen eine Tüte
voll Arznei verschreibt, von der sie kaum etwas verbrauchen. Und
schließlich würden wir alle nicht aufschreien, wenn die Ärzte-,
Apotheken- und Krankenhausbettendichte in unserem Wohnumfeld auf ein
wirtschaftlich plausibles Maß sinkt.
In diesem Utopia der Gesundheitsversorgung wären die Kassenbeiträge
deutlich niedriger. Deutlich weniger Kassen hätte diese ideale
Gesellschaft vermutlich aber auch. Und womöglich würden sich, von so
viel Realitätssinn ihrer Mitmenschen begeistert, sogar ganz mutige
Politiker finden, die es wagen, eine ernsthafte, von Polemik befreite
Debatte über die Grenzen der Grundversorgung nicht nur anzustoßen,
sondern auch zu Ende zu führen. Eines ist nämlich ziemlich sicher:
dass die Möglichkeiten der Medizin und die Preise dafür auch in
Zukunft schneller wachsen werden, als dies die Löhne und Gehälter der
Versicherten tun. Also müssen zunächst die Besitzstandswahrer etwas
von ihrem Geld abgeben, und dann brauchen wir eine engere Definition
- und damit Begrenzung - der Gesundheitsversorgung, die allen
Mitgliedern unserer Gesellschaft zustehen soll und für deren
Finanzierung im Zweifel der Staat geradesteht. Was darüber
hinausgeht, muss Privatsache sein.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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