 Mindener Tageblatt: Kommentar zu Lafontaines Rückzug / Bewährungsprobe
Geschrieben am 24-01-2010 |
Minden (ots) - Von Christoph Pepper
Vorab: Oskar Lafontaines Rückzug aus der vordersten Frontlinie ist
aller Ehren wert. Seine Krebserkrankung ist ein mehr als guter Grund
für den Politikverzicht, auch wenn man sich fragt, warum er es dann
bei einem halben belässt. Landespolitik als Auslaufbeschäftigung - so
kann man sich den Vollblut-Volkstribun eigentlich nicht vorstellen;
das hätten auch seine Wähler nicht verdient.
Wie dem auch sei: Lafontaines Abschied von der Bundesspitze der
Linken sowie sein Mandatsverzicht im Bundestag stürzen seine Partei
in eine schwierige Situation - die gleichzeitig eine Chance ist. In
jedem Fall aber eine Bewährungsprobe.
Ohne den charismatischen Populisten, den sprichwörtlichen Napoleon
von der Saar, wäre die Linke im Westen immer noch der zerstrittene
Haufen unbelehrbarer Sektierer, altlinker Ewiggestriger, verbitterter
HartzIV-Fundamentaloppositioneller und verstiegener Fantasten, wie er
sich gerade wieder noch einmal im NRW-Wahlprogramm selbst zu
verwirklichen suchte. Ebenso wäre die Partei im Osten im Großen und
Ganzen die Nachhut der SED geblieben, angesiedelt irgendwo zwischen
Wärmestube für Altfunktionäre und Werkstatt für Geschichtsklitterei.
Die (Ex)SED mL - mit Lafontaine - aber war in der Lage, das von der
SPD eher unfreiwillig freigemachte Terrain auf der Linken mit dem
Anspruch auf eine schlagkräftige linke Oppositionspolitik zu
besetzen, die ihre eigenen inneren Widersprüche irgendwann schon
produktiv verarbeiten können würde.
Ob Egomane Oskar diesem Prozess auf Dauer gut getan hätte, ist
durchaus die Frage. Jetzt macht er den Weg frei - und die Partei hat
die Chance zu zeigen, ob sie tatsächlich eine gesamtdeutsche werden
kann. Eine in der Opposition wieder unbeschwerter nach links
ausgreifende SPD wird ihr das allerdings deutlich schwerer machen als
zu Zeiten, als Lafontaine keine Mühe hatte, Enttäuschte einzusammeln.
Originaltext: Mindener Tageblatt
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