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WAZ: Die Partei fällt auf sich selbst zurück - Die Linke nach Lafontaines Abgang - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 24-01-2010

Essen (ots) - Oskar Lafontaine hat immer polarisiert, die letzten
30 Jahre war das so. Er wollte es nie anders, es entspricht seinem
politischen Naturell. Links hat er Geschichte geschrieben. Er hat der
SPD gedient und er will sie zerstören. Er ist aktuell der große
Neinsager, darin ganz anders als die andere linke Epochenfigur,
Joschka Fischer, der die Grünen mit der Realität versöhnte.
Versöhnung war in den vergangenen Jahren wirklich nicht Lafontaines
Antrieb, sondern: Rache. Und der alte, sehr persönliche Impuls zu
zeigen, dass er als einziger weiß, was richtig ist. Nun geht er, und
diesmal ist es keine Flucht, sondern eine Kapitulation. Das
Messer-Attentat konnte Lafontaine noch überwinden, der Krebs lässt
ihm keine Wahl außer dem Rückzug auf Raten.
Für die Linkspartei ist das ein Schlag, vielleicht ein finaler.
Lafontaine konnte die kulturell tiefen Gegensätze in dieser
Partei-Neugründung mit seiner rhetorischen Gabe und seiner
raumfüllenden Ausstrahlung noch wegschreien, aber einen Nachfolger
gibt es nicht. Faktisch gibt es nur zwei west-östliche
Integrationsfiguren von anerkanntem Gewicht in der Linkspartei und es
ist umstritten, wie lange Gysi diese Rolle noch spielen kann und
möchte. Ohne Lafontaine ist vieles denkbar, bishin zu einem
Auseinanderbrechen der Partei, die im Osten stark genug ist und
fadenscheinige Westhilfe nicht nötig hat. Dass Regionalparteien sehr
gut funktionieren können, zeigt die CSU.
Ohne Lafontaine ist das Gründungsprojekt einer gesamtdeutschen,
anti-sozialdemokratischen, sozialistischen Linkspartei infrage
gestellt. Als bloßes Sammelbecken politischer Abenteurer und
Sektierer, ergänzt um von der SPD empörte Gewerkschafter, wird die
Linkspartei West kaum eine Zukunft haben; schon gar nicht als
ernsthafter Bündnispartner für eine SPD, die gar nicht anders kann
als sich staatstragend zu definieren, um Volkspartei zu bleiben. Es
mutet fast schon paradox an: Lafontaine war für sehr viele
traditionelle Sozialdemokraten der größte Hinderungsgrund für ein
Bündnis mit der Linken. Und doch macht sein Abgang eine solche
Koalition nicht wahrscheinlicher, sondern unwahrscheinlicher, weil
ohne Lafontaine die West-Linke zurückfällt auf das, was sie ist: Ein
Sammelsurium.
Und die SPD? Führungslos werdenden Linken die Rückkehr anzubieten,
ist richtig, reicht aber nicht aus. Die SPD muss über die von
Parteichef Gabriel angestoßene Identitäts-Debatte zur Volkspartei
zurückfinden. Den Linken hinterher zu laufen, wäre gerade jetzt der
falsche Weg.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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