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Berliner Morgenpost: Berliner Pfusch und der Standort Deutschland - Leitartikel

Geschrieben am 18-01-2010

Berlin (ots) - Deutschland ist - nach eigenem Anspruch und wohl
auch im Urteil aller anderen - ein Hightechland. Ein Land der
Spitzentechnologie also. Uns in Berlin allerdings überkommen
zunehmend Zweifel, ob wir wirklich so gut sind, wie wir vorgeben und
die Welt draußen von uns noch immer glaubt. Wenn in der Hauptstadt
eines Hochtechnologielandes länger als ein Jahr die S-Bahn ihre
technischen Probleme nicht lösen kann oder wenn nur neun Jahre nach
Einzug schon wieder grundlegende Sanierungsarbeiten in seiner
Regierungszentrale anstehen, drängt sich die peinliche Frage nach
Problemlösungskompetenz und Qualitätsarbeit auf.
Nach der Bonner "Bundessparkasse" hat sich Helmut Kohl als damaliger
Bauherr beim Berliner Kanzleramt ganz bewusst für ein repräsentatives
Regierungshauptquartier entschieden, das architektonisch zugleich
eine Vision für die Zukunft sein sollte. Dass für dieses
ambitionierte Ziel einige technische Raffinessen und Neuheiten nötig
waren, verstand sich für ein Hightechland von selbst. Dass vieles
davon nicht einmal neun Jahre gehalten hat, ist rufschädigend, ja
skandalös für ein Land, das seine Technik in alle Welt verkaufen
muss.
Wenn jetzt amtlich behauptet wird, die Schäden seien seit Langem
bekannt und vor allem auf den Zeitdruck zurückzuführen, den Kohls
Nachfolger Gerhard Schröder ausgeübt habe, klingt das sehr deutlich
nach Schutzbehauptung. In Wahrheit hat die Bauleitung ihre Pflichten
vernachlässigt. Vor allem aber rächt sich einmal mehr, dass bei
öffentlichen Bauten fast immer der billigste Anbieter den Zuschlag
erhält.
Darunter leidet allzu oft die Qualität. Mit der Konsequenz, dass
andere Firmen mit teuren Nacharbeiten beauftragt werden müssen. Dabei
ist das Kanzleramt leider kein Einzelfall. Im Paul-Löbe-Haus mit
seinen Sitzungssälen und Bundestagsbüros mussten bereits Scheiben
ersetzt und weitere Schäden beseitigt werden. Ausgerechnet das neue
Bauministerium an der Invalidenstraße, 1999 für rund 45 Millionen
Euro gebaut, wird derzeit für 36 Millionen Euro saniert. Deutsche
Wertarbeit sieht anders aus. Einmal mehr bestätigt sich, dass teuer
bestraft wird, wer am falschen Ende spart. Billig ist nicht immer
preiswert. Pfusch am Bau ist eine teure Sünde. Das sollten auch alle
öffentlichen Auftraggeber einschließlich des Berliner Senats
verinnerlichen.
Womit wir auf die S-Bahn zurückkommen. Das Staatsunternehmen Deutsche
Bahn hat nicht nur skrupellos ihre Berliner Nahverkehrstochter
finanziell ausgebeutet. Sie hat sich auch als unfähig erwiesen, deren
erhebliche technische Probleme zu lösen. Alle Schuld jetzt auf den
Hersteller der Züge zu schieben, ist ausgesprochen grotesk. Und wirft
ein weiteres schlechtes Licht auf das Hightechland Deutschland. Das
bekommt nicht nur Probleme nicht in den Griff. Das hat auch noch
Manager, die, statt sich um die Lösung des Problems zu kümmern, ihre
Verantwortung leugnen. Manchmal ist es besser, wenn die Welt nicht so
genau auf Berlin schaut...

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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