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Berliner Morgenpost: Ärztemangel: Gegenmittel, Risiken und Nebenwirkungen (Leitartikel)

Geschrieben am 12-01-2010

Berlin (ots) - Der Beruf des Landarztes ist vom Aussterben
bedroht. Immer weniger Mediziner sind bereit, als Haus- oder
Allgemeinarzt zu praktizieren. Und von denen, die das wollen, ziehen
die wenigsten aufs Land. In fünf Jahren könnten fast 28000
Ärzte fehlen, in zehn Jahren fast 60000. Es wird höchste
Zeit, gegenzusteuern. Dass nach vielen vergeblichen Versuchen der
Politik die Ärzte endlich selbst die Initiative ergriffen haben, ist
richtig. Das erhöht die Akzeptanz der nötigen Veränderungen in den
eigenen Reihen.
Die Gründe für die Entwicklung sind vielfältig. Junge Ärzte teilen
das Schicksal vieler anderer Akademiker, die zum Studium in die Stadt
gehen und dort Wurzeln schlagen. Dieses Leben erscheint ihnen oft
attraktiver, und nicht selten finden auch die berufstätigen
Lebenspartner dort besser Arbeit. Zurück auf dem Land bleiben im
wahrsten Sinne des Wortes die Alten und Kranken. Die Kirchen kennen
das schon. Sie schicken ihre Pfarrer vielfach von Dorf zu Dorf, um
dort auch ohne feste Pfarrstellen das Gemeindeleben zu erhalten. Auch
immer mehr Ärzte könnten demnächst auf Reisen gehen.
Mobile Mediziner würden sich dann mit Kollegen anderer Fachrichtungen
eine Praxis am Ort teilen und dort tageweise arbeiten. Dann ziehen
sie weiter oder fahren zurück in die Großstadt. Dort gibt es - das
ist die Kehrseite der Landflucht - immer mehr hoch spezialisierte
Ärzte, die nur in Metropolen genügend Patienten finden. Die Kollegen,
die sich um die vermeintlich alltäglichen Wehwehchen kümmern, haben
nicht nur finanziell das Nachsehen. Für sie wird die Eröffnung einer
Praxis zunehmend zum finanziellen Risiko.
Die Gegenmittel, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung dem
Berufsstand nun verschreiben möchte, dürften nicht unumstritten
bleiben. Dass sich Ärzte nur noch dort niederlassen sollen, wo sie
gebraucht werden, und nicht mehr dort, wo es lukrativ ist, wird nicht
allen Freiberuflern gefallen. Aber ohne solche Nachhilfe würde der
ländliche Raum abgehängt werden. Unzufriedenheit wird auch der
Vorschlag hervorrufen, ambulant praktizierende Ärzte in
Krankenhäusern arbeiten zu lassen und umgekehrt den Kliniken die
ambulante Behandlung zu erlauben. Bis jetzt war die Grenze zwischen
den Sektoren undurchlässig - beide Seiten haben davon profitiert.
Viele Ärzte empfinden die Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf heute als
unattraktiv. Sie klagen über zu viel Bürokratie und über zu wenig
Zeit für die Patienten. Auch daran soll nach Meinung der
Kassenärztlichen Vereinigung etwas geändert werden - durch eine neue
Form der Vergütung. Künftig soll die Behandlungsdauer das Honorar
bestimmen, nicht mehr wie bisher die Zahl der Patienten. Gleichzeitig
wollen die Ärzte die Verantwortung für die Kosten der von ihnen
verschriebenen Arzneimittel loswerden. Das klingt nach besseren
Arbeitsbedingungen, aber dahinter könnte der Wunsch stehen, endlich
die ungeliebten Kostenbremsen loszuwerden, die es im Gesundheitswesen
gibt. Die Bundesregierung und die Krankenkassen sollten hier
aufpassen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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