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Berliner Morgenpost: Ein Rücktritt, der zur Befreiung wird - Leitartikel

Geschrieben am 27-11-2009

Berlin (ots) - Nun ist aus der ersten personellen Krise in der Ära
Merkel noch ein Befreiungsschlag geworden. Mit Ursula von der Leyen
hat die Bundeskanzlerin eines ihrer besten Kabinettsmitglieder ins
Arbeits- und Sozialministerium befördert. Zu ihnen zählte der
zurückgetretene Franz Josef Jung zweifellos nicht. Angesichts der
bevorstehenden großen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt und dem
unveränderten Sanierungsbedarf der sozialen Sicherungssysteme bekommt
das Ministerium jetzt eine Chefin, die aufgrund ihrer Erfahrung,
ihrer Reformerfolge schon in der Familienpolitik und ihrem Charme,
gepaart mit Härte in der Sache, Mut auch zu neuen überraschenden
Lösungen verspricht. Das kann dem Land angesichts der Verkrustungen
im Arbeitsrecht und der demografischen Entwicklung nur gut tun.
Ob ihre Nachfolgerin im Familienministerium in die großen Schuhe
passt, die Frau von der Leyen dort zurücklässt, bleibt abzuwarten
Auch wenn die 32 Jahre junge Kristina Köhler aus Wiesbaden ihren
neuen Job dem regionalen Proporz zu verdanken hat, nach dem wieder
ein Hesse am Kabinettstisch zu sitzen hat, ist ihr eine faire Chance
einzuräumen. Die Aussicht, diese zu nutzen, ist auch deshalb nicht
schlecht, weil Frau Köhler ein gut bestelltes Ressort übernimmt.
So überraschend die Kanzlerin von der ersten personellen Krise
während ihrer nun gut vierjährigen Amtszeit heimgesucht wurde, so
schnell, entschlossen und konsequent hat sie sie entschärft. Ihr
Krisenmanagement scheint auch in personellen Angelegenheiten weit
besser zu funktionieren, als ihre Kritiker meinen.
Das kann man von Franz Josef Jung nicht behaupten. Hätte er sich tags
zuvor schon zum Zwangläufigen durchgerungen, wäre es für ihn
wenigstens noch ein respektabler Rücktritt gewesen. Doch er musste
nicht zuletzt durch Druck aus dem Kanzleramt zum Abschied aus
Berliner Ministerwürden gedrängt werden. Ohne den wäre er als ein
Minister in Erinnerung geblieben, der sich fachlich Respekt
verschafft hat, der allerdings aufgrund seiner
Persönlichkeitsstruktur durch mangelnde Ausstrahlung und
Kommunikationsgabe überlagert wurde. Fortan bleiben allein seine
Defizite haften. Wie groß die sind, ist bei jedem Auftritt seines
Nachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg spürbar.
Die Opposition hätte sich kaum einen besseren Start erhoffen können.
Zum inhaltlichen Hauen und Stechen innerhalb der Koalition kommen nun
die gravierenden militärischen wie politischen Vertuschungsversuche.
Dass sie auf umfassender Aufklärung besteht, ist geradezu ihre
Pflicht. Im Zentrum muss dabei stehen, wer aus welchen Motiven die
frühen Erkenntnisse über zivile Opfer bei dem Luftschlag gegen die
erst entführten und dann gestrandeten Tanklaster verschweigen wollte.
Vor nachträglichen Bewertungen taktischer militärischer Einsätze vor
Ort sollten sich allerdings alle Abgeordneten hüten. Der
"kriegsähnliche" Einsatz in Afghanistan ist kein Computerspiel. Wer
wie der Bundestag Soldaten in den Kampf schickt, muss mit Opfern
rechnen. Auch mit zivilen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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