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Berliner Morgenpost: Die Affäre nährt die Zweifel am Einsatz in Afghanistan - Leitartikel

Geschrieben am 26-11-2009

Berlin (ots) - Nun hat der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auch
an der innenpolitischen Front erste Opfer gefordert. Dass mit dem
Rücktritt des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und des
Staatssekretärs Peter Wichert gleich zwei der ranghöchsten Beamten
des Verteidigungsministeriums zurücktreten mussten, zeigt an, dass
bis hinein in die oberste militärische wie politische Führung
schwerwiegende Informations- und Kommunikationsfehler im Zusammenhang
mit dem Luftangriff nahe Masar-i Scharif gemacht worden sind. Und das
ist noch eine sehr zurückhaltende Wertung angesichts des Verdachts,
dass das frühe Wissen auch über zivile Opfer bei der Bombardierung
der von den Taliban entführten Tanklastwagen bewusst zurückgehalten
wurde. Schwer zu glauben, dass der Verteidigungsminister selbst von
den belastenden Informationen wochenlang nichts wusste.
Wenn es wirklich so war, wie es Minister Franz Josef Jung gestern im
Bundestag vortrug, könnte man vermuten, Schneiderhan wie Wichert
hätten ihren Chef bewusst ins Messer laufen lassen. Dafür spricht
angesichts der jahrlangen Loyalität beider nicht sehr viel. Oder
wollten sie die zivilen Opfer verschweigen, um ihren Minister
angesichts des näher rückenden Wahltags vor weiteren Schwierigkeiten
zu bewahren? Dies würde für Naivität sprechen. So erfahrene
Führungspersonen wie Schneiderhan und Wichert müssten wissen, dass
sich brisante Informationen nicht dauerhaft vertuschen lassen. Alles
kommt irgendwann raus.
Minister Jung darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wenn
wirklich alles so abgelaufen ist, wie er erklärt, sprechen dennoch
zwei Argumente gegen ihn. Ein Minister trägt die Gesamtverantwortung
für alles, was in seinem Ressort passiert. Das gilt umso mehr, wenn
zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter ihn - aus welchen Gründen auch
immer - von wichtigen Informationen abschneiden. Auch wenn bislang
nichts dafür spricht, dass Jung Parlament und Öffentlichkeit bewusst
belogen hat, steht er zu Recht im Zentrum des politischen Beschusses.
Sein Unwissen ist Indiz, dass er sein altes Ministerium nicht
wirklich im Griff hatte. Dazu kommt ein schwerwiegendes eigenes
Versäumnis. Als er Anfang Oktober den hausinternen Feldjägerbericht
über die Hintergründe der Bombardierung für weitere
Nato-Untersuchungen frei gab, hätte er nach dem Inhalt fragen müssen.
Spätestens dann wäre er informiert gewesen.
Die Affäre in Jungs Ex-Ministerium ist auch für die gesamte
Bundesregierung ein Desaster. Weil die Zweifel der Öffentlichkeit an
der Sinnhaftigkeit des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan weiter
genährt werden. Wer Soldaten in den Kampf schickt, muss glaubwürdig
und verlässlich sein. Beide Voraussetzungen haben Schrammen bekommen.
Darunter haben nicht zuletzt die Soldaten an der Front zu leiden. Sie
haben Anspruch, dass ihr riskanter Einsatz zu Hause möglichst große
politische wie gesellschaftliche Unterstützung findet. Nähme er
seinen Hut - Franz Josef Jung würde den Soldaten wie der Regierung
einen großen Dienst erweisen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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