(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Ein Urteil, das zum Nachdenken anregt - Leitartikel

Geschrieben am 25-11-2009

Berlin (ots) - Richter sind unabhängige Menschen. Gebunden an
Recht und Gesetz natürlich, aber man weiß ja, dass Paragrafen dehnbar
sind, und seien sie noch so knackig formuliert. Also sollten wir
nicht allzu heftig den Kopf schütteln über das gestrige Urteil einer
Richterin des Niedersächsischen Finanzgerichts, die knapp 20 Jahre
nach seiner Einführung ein sehr großes Fragezeichen hinter die
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags gesetzt hat. Ein
Fragezeichen, das auch nicht kleiner wird durch den Umstand, dass das
Bundesverfassungsgericht seinerseits vor gar nicht allzu langer Zeit
eine Klage des Steuerzahlerbundes gegen den Soli nicht einmal zur
Entscheidung angenommen hat. Nun muss es sich doch befassen. Und,
sagen wir mal so: Auch wenn die Hoffnung gering ist, dass sich die
Dinge am Ende positiv in Steuerzahlers Portemonnaie bemerkbar machen,
schlecht ist diese neue Wendung der Soli-Debatte nicht.
Der Solidaritätszuschlag ist nach der Pendlerpauschale und Hartz IV
die dritte Art staatlicher Umverteilungspolitik, die von der Justiz
kritisch unter die Lupe genommen wird. Gut ausgesehen haben
Legislative und Exekutive dabei bisher nicht. Man hat eher den
Eindruck, dass Parlament und Regierung immer wieder auf die Finger
bekommen für ihre Künste, dem Steuerbürger das Geld an der einen
Stelle aus der Tasche zu ziehen, um es andernorts mehr oder weniger
sinnvoll auszugeben. Die Pendlerpauschale muss schon wieder gezahlt
werden, Hartz IV für Kinder dürfte demnächst aufgestockt werden auf
Karlsruher Geheiß. Gerät auch noch der Solidaritätszuschlag ernsthaft
ins Wanken, sollte man sich vielleicht mal Gedanken machen in
Bundestag und Bundesrat, ob man sich nicht einen allzu freihändigen
Umgang mit dem Geld der anderen angewöhnt hat.
Der Eindruck jedenfalls, den zum Beispiel die neue
Regierungskoalition derzeit bei diesem Thema hinterlässt, ist allemal
geeignet, dieser Auffassung Nahrung zu geben.
Denn eins bleibt ja festzuhalten: Das Gericht in Hannover hat gestern
natürlich kein Urteil gegen die "gesamtdeutsche Solidarität"
ausgesprochen, wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gewohnt
maßlos attestierte. Was für ein gequirlter Unsinn. Die Richterin hat
lediglich festgestellt, dass die Art und Weise, wie diese Solidarität
hergestellt wird, aus ihrer Sicht nicht den Maßstäben der Verfassung
entspricht. Darüber wird man formidabel streiten können. Zumal der
Solidaritätszuschlag eben nicht, wie bürokratisch-geschickt
suggeriert, zweckgebunden für den Aufbau Ost erhoben, sondern als
weitere Steuereinnahme einzig und allein in Wolfgang Schäubles Kasse
gesteckt wird, ganz unabhängig davon, was am Ende mit dem Geld
geschieht.
So gesehen ist diese "Ergänzungsabgabe" übrigens auch ein wunderbarer
Posten für Bundespolitiker, die wahrhaftig Steuern senken wollen,
ohne dass Zustimmungsboni an meckernde Ministerpräsidenten verteilt
werden müssten. Wäre nach diesem Urteil vielleicht einen Gedanken
wert.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

238955

weitere Artikel:
  • Weser-Kurier: Umweltbundesamt-Chef: Strom bis 2050 komplett aus erneuerbaren Energien Bremen (ots) - Der neue Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, ist überzeugt, dass der Strom in Deutschland bis 2050 vollständig durch erneuerbare Energien produziert werden kann. Dazu seien zwar erhebliche Anstrengungen notwendig, sagte er im Interview mit dem Bremer Weser-Kurier (Donnerstag-Ausgabe). "Wir haben aber heute schon nachgewiesen, dass die erneuerbaren Energien vom Grundsatz her rund um die Uhr Strom für die gesamte Nachfrage liefern können." Die Chancen für den Klimagipfel in Kopenhagen sieht Flasbarth wieder mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Steuerpolitik braucht Ehrlichkeit Nicht nur der Solidaritätszuschlag gehört auf den Prüfstand Von Friedrich Roeingh = Düsseldorf (ots) - Es gibt anscheinend nichts Langlebigeres als befristet eingeführte Steuern. Das beste Beispiel ist die Schaumweinsteuer: Sie ist 1902 unter Wilhelm II. erlassen worden, um die deutsche Flotte zu finanzieren. Die Nazis haben sie 1939 wiederbelebt, um ihre U-Boot-Flotte auszubauen. Und im Jahr 2009 sprudelt die Schaumweinsteuer noch immer. So gesehen kann man nur hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag kippen wird. Denn die Steuerpolitik braucht nichts dringender als mehr Ehrlichkeit. Die sogenannte mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Soli-Zuschlag Halle (ots) - Politisch steht fest: Wer sich Gedanken darüber macht, ob der Soli irgendwann nicht mehr gebraucht wird, gerät in schwieriges Gelände. Mancher zu Recht - wie jene Politiker aus reichen westdeutschen Ländern, die ihre Landsleute aus der ehemaligen DDR am liebsten nach dem schwäbischen Motto abfertigen würden: Wir geben nichts! Andere zu Unrecht - wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), der einmal laut über die Verknüpfung der Lebensdauer des "Soli" mit dem Solidarpakt nachgedacht hat. Also im Jahr 2019. mehr...

  • Rheinische Post: Täuschung des Steuerzahlers Düsseldorf (ots) - von Martin Kessler Er war fast schon in Vergessenheit geraten, der gute alte Solidaritätszuschlag. Jahr für Jahr spült er zwischen 10 und 13 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes. Darauf will natürlich kein Finanzminister verzichten. Was einmal als vorübergehende Einnahmequelle zur besseren Finanzierung der deutschen Einheit gedacht war, ist längst zur Dauereinrichtung geworden. Alte Steuer - gute Steuer. Nicht einmal die FDP hatte daran etwas auszusetzen. Ein Finanzgerichtsurteil bringt das alte Thema nun erneut mehr...

  • Rheinische Post: EU-Rauchzeichen Düsseldorf (ots) - von Anja Ingenrieth Die Beglückungs-Gesetzgebung Brüsseler Bürokraten kennt kaum noch Grenzen: Erst verbannte Europa Glühbirnen, um das Weltklima zu retten. Jetzt soll die Volksgesundheit von den Segnungen der EU profitieren - durch ein totales Rauchverbot bis in die letzte Eckkneipe. Von fehlenden Kompetenzen lassen sich die sendungsbewussten Berufseuropäer in ihrem Regelungseifer nicht bremsen. So soll mangels Brüsseler Zuständigkeit für den Gesundheitsbereich der Arbeitsschutz als Rechtgrundlage für die EU-Pläne mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht