 Mindener Tageblatt: Kommentar zur EU-Spitze / Ein weiterer Anfang
Geschrieben am 20-11-2009 |
Minden (ots) - Von Christoph Pepper
Erstaunlich reibungslos haben sich die Staats- und Regierungschefs
der Europäischen Union auf das neue Spitzenduo geeinigt, das gemäß
Lissaboner Vertrag künftig das "Gesicht" der Gemeinschaft sein soll.
Mit dem belgischen Ministerpräsidenten Van Rompuy als Präsident und
der britischen Handelskommissarin Ashton als "Außenministerin" fiel
die Wahl auf zwei international wenig bekannte Persönlichkeiten.
Entsprechend groß ist die Enttäuschung jener Teile der politischen
Öffentlichkeit, die sich von der neuen Gemeinschafts-Spitze vor allem
eine Demonstration europäischer Entschlossenheit erwartet hatten,
nach außen kraftvoll aufzutreten und nach innen entschieden zu
führen.
Solche Erwartungen waren allerdings von vorneherein illusionär. Zwar
schreibt der nun in Kraft tretende Lissabon-Vertrag neue
Verfahrensregeln fest, die die bisherige meist zähe
Entscheidungsfindung erleichtern werden. Doch das Prinzip Kompromiss
wird auch im Europa der 27 die notwendige Praxis bleiben. Mit der
Kommission, dem Parlament, den europäischen Räten, der Eurogruppe,
den weiterhin auszutarierenden Regierungen und Parlamenten der
Mitgliedsstaaten, speziell jenen der größeren, ist das Kräftegefüge
komplex genug. Ein neues Machtzentrum mit Basta-Anspruch würde ihm
nicht bekommen und nur für gegenseitige Beschädigungen sorgen.
Europa wächst nun einmal langsam zusammen, und das kann angesichts
seiner Geschichte und der Vielzahl der unter einen Hut zu bringenden
Interessen gar nicht anders sein. Mit den neuen Institutionen ist ein
Anfang zu weiterer Integration gemacht, der sich entwickeln kann und
wird. Man sollte ihn nicht mit unrealistischen Erwartungen
überfrachten. Ein Fortschritt ist die neue Führungsspitze dennoch -
und die Besetzung durchaus weise.
Originaltext: Mindener Tageblatt
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