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Zusätzliche Quecksilber-Belastung als "Licht-aus-Kriterium" für geplantes Kohlekraftwerk Staudinger

Geschrieben am 19-11-2009

Berlin/Frankfurt/Regensburg (ots) - Erörterungstermin von Block 6
des E.on-Kohlekraftwerks im hessischen Großkrotzenburg stellt
Genehmigung grundsätzlich in Frage - Neue EU-Richtlinie zum Schutz
von Gewässern und Fischen vor giftigem Quecksilber wird nicht
eingehalten - Deutsche Umwelthilfe, BUND Hessen und Bund Naturschutz
in Bayern verlangen Abbruch oder Aussetzung des Verfahrens und
kündigen für den Fall der Genehmigung Klagen an

Berlin/Frankfurt/Regensburg, 19. November 2009: Die Zukunft des
geplanten Block 6 des Kohlekraftwerks Staudinger im hessischen
Großkrotzenburg ist wieder offen. Anlässlich der Erörterung des
Vorhabens im Bürgerhaus der Gemeinde stellte sich seit Dienstag
heraus, dass der Bauherr E.on bezüglich der Quecksilberbelastung des
Mains und der mit dem geplanten neuen Kraftwerksblock verursachten
Zusatzbelastung von grundsätzlich falschen Voraussetzungen ausgeht.
Sollte das Vorhaben dennoch genehmigt werden, "droht ein ähnliches
Investitionsfiasko wie am Kraftwerksstandort Datteln in NRW". Davon
gehen die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), der BUND Hessen und der
Bund Naturschutz in Bayern aus, deren Vertreter im Verlauf des
Erörterungstermins schwerwiegende Einsprüche gegen das Vorhaben und
insbesondere die im Fall der Realisierung zunehmende Belastung des
Mains mit dem giftigen Schwermetall Quecksilber vorgetragen haben.

"Die Treibhausgasemissionen aus neuen Kohlekraftwerken stehen in
einen unauflösbaren Widerspruch zu den international verabredeten
Klimazielen", sagte Rainer Baake, der Bundesgeschäftsführer der
Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH). Über diese grundlegende Erkenntnis
hinaus werde jedoch viel zu häufig vergessen, "dass neue
Kohlekraftwerke zusätzlich die Umgebung massiv mit Umweltgiften
belasten". Für das Projekt Staudinger werde die
"Quecksilber-Belastung des Main voraussichtlich das
Licht-aus-Kriterium", warnte Baake.

Insbesondere eine neue Umweltgesetzgebung der EU stelle das
Projekt vor "nahezu unüberwindbare Probleme", erläuterte Michael
Rothkegel, der hessische Landesgeschäftsführer des Bund für Umwelt
und Naturschutz (BUND). "E.on führt nicht nur die Öffentlichkeit
hinters Licht, sondern lügt sich auch selbst in die Tasche, wenn das
Unternehmen weiter die erheblichen Zusatzbelastungen des Mains mit
Quecksilber leugnet oder kleinrechnet." Auf Basis einer Neuberechnung
der zuständigen hessischen Fachbehörde über die Vorbelastung des
Mains mit dem giftigen Metall ergebe sich mit Staudinger Block 6 eine
Zusatzbelastung in Höhe von bis zu 50 Prozent. Die wäre jedoch mit
den europarechtlichen Vorgaben völlig unvereinbar.

"Die neue EU-Richtlinie ist eindeutig", erklärte der
Geschäftsführer des Bund Naturschutz in Bayern, Peter Rottner. Die
von der EU verlangten Quecksilber-Grenzwerte für Fische und andere
Lebewesen werden im Main schon jetzt vielfach überschritten. Rottner:
"Quecksilbereinträge müssen deshalb reduziert werden, jeder
Neueintrag ist unzulässig". Das Problem stelle sich im Übrigen nicht
nur am Kraftwerksstandort Staudinger, sondern sei auch eine der
zentralen Fragen in den Genehmigungsverfahren der geplanten
Kraftwerke in Brunsbüttel an der Elbe und Lubmin am Greifswalder
Bodden.

Quecksilber steht derzeit im Fokus der Umweltgesetzgebung der
Europäischen Union. Im Dezember 2008 wurde seitens der EU eine
Tochterrichtlinie (RL 2008/105/EG) zur Wasserrahmenrichtlinie
erlassen, die bis Sommer 2010 in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein
muss. Die darin enthaltenen Grenzwerte für Fische und andere
Lebewesen werden in nahezu allen großen deutschen Flüssen, darunter
auch dem Main schon jetzt um ein Vielfaches überschritten.

E.on argumentierte im Verlauf des Erörterungstermins, dass die
durch den Block 6 hervorgerufene Zusatzbelastung gegenüber der
Vorbelastung des Mains so gering sei, dass dies rechtlich nicht
relevant sei. Bei der Ermittlung der Vorbelastung ging E.on jedoch
von veralteten Werten aus.

Die Genehmigungsbehörde, das Regierungspräsidium Darmstadt, hat
unterdessen durchblicken lassen, dass man nicht die Zusatzbelastung
des Mains an sich zum Gegenstand der Prüfung machen, sondern allein
auf einen Vergleich der bisherigen Quecksilbereinleitungen des
Standorts Staudinger und der künftigen Einleitungen abstellen wolle.
Wenn E.on die Blöcke 1 bis 3 stilllege, würde die
Quecksilberbelastung insgesamt nicht erhöht.Diese Auffassung des
Regierungspräsidiums stellt nach Überzeugung des Berliner
Rechtsanwalts Peter Kremer, der in dem Verfahren die Deutsche
Umwelthilfe (DUH) vertritt, eine unzulässige Hilfskonstruktion dar,
die bei einer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand hätte. Die
Richtlinie der EU verlange nämlich die Beendigung sämtlicher
Quecksilbereinträge und verbiete damit praktisch Genehmigungen, mit
denen derartige Einträge zugelassen werden. Wenn das
Regierungspräsidium Darmstadt das Kraftwerk dennoch genehmige, laufe
es nach einer dann programmierten Niederlage vor Gericht Gefahr, von
E.on auf Schadensersatz für getätigte Investitionen in Milliardenhöhe
verklagt zu werden. Dafür müssten am Ende die hessischen Steuerzahler
gerade stehen.

Rechtsanwältin Ursula Philipp-Gerlach, die die Umweltverbände BUND
Hessen und Bund Naturschutz Bayern in dem Verfahren vertritt, machte
deutlich, dass die Vorgaben der EU nur durch eine umfassende
Verringerung sämtlicher Quecksilbereinträge erreicht werden könnten.
Dies sei jedoch mit der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerksblocks
praktisch ausgeschlossen. Auch die zuständige Fachbehörde des Landes
habe im Termin deutlich gemacht, dass es hierfür bisher keine Lösung
gebe.

Der Sachverständige des BUND Hessen monierte im Verlauf des
Erörterungstermins darüber hinaus, dass für bestimmte Schadstoffe,
die in das Wasser gelangen würden, überhaupt noch keine Angaben von
E.on vorlägen. Auch diese Kritik wurde seitens des Hessischen
Landesamts für Umwelt und Geologie bestätigt, so dass auch aus diesem
Grund das Verfahren gar nicht weiter geführt werden könne.

Verfahrensrechtlich wird von den AnwältInnen der Verbände
kritisiert, dass die Frage der Wasserbeeinträchtigung noch gar nicht
Gegenstand des Verfahrens ist. Die Genehmigungsbehörde habe es
zugelassen, dass E.on den immissionsschutzrechtlichen Antrag stellt,
ohne die hierfür erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis zu
beantragen. Damit fehle es an der Beurteilungsfähigkeit des
Vorhabens. Spätestens seit Mittwoch sei aber für alle Beteiligten
erkennbar, dass die Wasserbelastung einer der Kernpunkte des
Verfahrens sei, so dass es ohne die entsprechende Prüfung nicht
weiter geführt werden könne. Die Verbandsvertreter hatten der Behörde
daher dringlich empfohlen, das Verfahren abzubrechen oder mindestens
auszusetzen.

Sollte es vor Durchführung des wasserrechtlichen Verfahrens zu
einer Genehmigung kommen, kündigten die Verbände eine umgehende
gerichtliche Überprüfung an. Da auch der Antrag auf Baubeginn bereits
gestellt sei, würde das Land ein unverantwortliches Risiko eingehen.

Hintergrundinformation zur Quecksilberbelastung:

Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie errechnete eine
Quecksilberbelastung des Mains von 56 bis 90 g pro Tag, das sind 20,4
bis 32,8 kg pro Jahr. Für das Kraftwerk wurde eine
Quecksilbereinleitung im Abwasser in Höhe von 4,2 bis 5,3 kg
beantragt. Dies würde eine Zusatzbelastung, je nach dem, welcher
Vorbelastungswert zugrunde gelegt wird, von 15 bis 20 % bedeuten.

Die Verbände hatten moniert, dass die Quecksilberbelastung durch
den Eintrag über die Luft und das belastetete Niederschlagswasser mit
einbezogen werden muss und dass auch die Berechnung der
Quecksilbereinleitung durch E.on zu niedrig sei. Tatsächlich müsse
von einer Zusatzbelastung von mehr als 10 kg pro Jahr ausgegangen
werden. Dies würde eine Erhöhung der Vorbelastung von 35 bis 50 %
bedeuten.

Die Zusatzbelastung wäre aber selbst dann unzulässig, wenn es bei
den Zahlen von E.on bleiben würde.Entscheidend sind zwei
Gesichtspunkte:

E.on ging von einer sehr viel höheren Vorbelastung des Mains aus,
was dazu geführt hätte, dass die Zusatzbelastung durch Block 6 im
Verhältnis sehr viel geringer wäre. Diese Berechnung ist falsch, wie
die Fachbehörde im Termin dargelegt hat.

Das Regierungspräsidium Darmstadt geht derzeit noch davon aus,
dass die mit dem Block 6 verbundene Neueinleitung mit den
Alteinleitungen durch die stillzulegenden Blöcke 1 bis 3 verrechnet
werden kann. Dies ist aufgrund eingehender Prüfung der
Verbandsanwälte falsch und wäre für den Fall einer Genehmigung
gerichtlich erfolgreich angreifbar.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake
Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4,
10178 Berlin
Mobil: 0151/55 01 69 43, Tel.: 030/24 00 867-0, E-Mail: baake@duh.de

Michael Rothkegel
Landesgeschäftsführer, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) Landesverband Hessen e.V., Ostbahnhofstraße 13, 60314
Frankfurt/Main
Tel. 069/67 73 76 12, E-Mail: michael.rothkegel@bund-hessen.de

Peter Rottner
Geschäftsführer, Bund Naturschutz Bayern e.V., Dr.-Johann-Maier-Str.
4, 93049 Regensburg
Tel.: 0941/2 97 20 12, E-Mail: peter.rottner@bund-naturschutz.de

Ursula Philipp-Gerlach,
Rechtsanwältin, Niddastraße 74, 60329 Frankfurt
Mobil: 0163/733 25 52

Peter Kremer,
Rechtsanwalt, Heinrich-Roller-Straße 19, 10405 Berlin
Mobil: 0172/646 44 25


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