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Westdeutsche Zeitung: Holen wir diese Volkskrankheit aus der Tabuzone! Depressionen - Dämonen der Moderne Von Christoph Lumme =

Geschrieben am 12-11-2009

Düsseldorf (ots) - Robert Enkes Freitod hat uns wachgerüttelt.
Plötzlich schreibt, denkt und redet die Republik über die Depression,
holt diesen Dämon der Moderne für kurze Zeit aus seiner Tabuzone. Und
plötzlich wird uns bewusst, dass sich jenseits der hysterischen Spaß-
und Leistungsgesellschaft die dunklen Seiten des Lebens nicht
weglachen lassen: Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Angst und Tod.

So wichtig die Debatte über Enkes Tod auch ist; wer sein Leiden
als reines Fußball-Drama mystifiziert, verfehlt das Wesen dieser
Erkrankung. Das Sport-Idol, zermalmt von der Last der Erwartungen -
diese Erklärung greift zu kurz, will man verstehen, warum sich
Depressionen als unaussprechlicher Schatten auf unser Zeitalter
gelegt haben.

Unaussprechlich: Bei der Bahn redet man technokratisch von
"Personenschäden", wenn sich Verzweifelte vor fahrende Züge werfen.
Die Allgemeinheit sagt "Selbstmord", so als habe der Kranke, der
keinen anderen Ausweg als den Tod mehr sah, ein schweres Verbrechen
begangen. Und Betroffene schweigen so lange wie möglich über den
Horror, der immer wieder Besitz von ihnen ergreift, weil sie
fürchten, sie könnten zu Aussätzigen der Erfolgsgesellschaft werden.
Doch so lange dieses Volksleiden ein Tabu bleibt, so lange wird es
keine präzise Bestandsaufnahme geben. Eine solche böte aber erst
einmal die Chance, diese Krankheit entschlossener als bisher zu
bekämpfen. Es ist kein Wunder, dass sich Ärzte heute häufig an
körperlichen Symptomen ihrer Patienten abarbeiten, ohne zu erkennen,
dass Depressionen dahinterstecken.

Dass schwer Depressive mit Medikamenten ruhiggestellt und in
psychiatrischen Einrichtungen ihrer Würde beraubt werden. Dass
Menschen in den Tod fliehen, weil es niemanden gibt, der ihnen helfen
kann.

Ein offener Umgang mit dem Tabuthema wäre ein Anfang. Zugleich
sollten wir aber auch grundsätzlich danach fragen, warum sich
Depressionen so sehr in unserer Gesellschaft festsetzen.
Leistungsdruck, Versagensängste, Einsamkeit, Haltlosigkeit und
Entfremdung - die Beschleunigungen der Moderne haben die Menschen aus
ihren traditionellen Bezügen katapultiert und dabei viele Psychen
beschädigt. Wir sollten uns damit nicht abfinden.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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