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Berliner Morgenpost: Geld allein macht kein Kind glücklich

Geschrieben am 20-10-2009

Berlin (ots) - Kein Zweifel: Es ist richtig, dass die obersten
Gerichte des Landes sich mit der Frage beschäftigen, wie viel Geld
Kinder aus mittellosen Familien tatsächlich für ein würdiges Leben
brauchen. Die Debatte über ein paar Euro mehr birgt allerdings auch
eine tückische Gefahr: Kaum sind Hartz-IV-Sätze und Kindergeld
erhöht, herrscht der Glaube, dass etwas Gutes getan sei. War ja teuer
genug. Aber Geld ist bei Weitem nicht alles, was Kinder in
Deutschland brauchen. Im Gegenteil: Die rein ökonomische Sichtweise
ignoriert wesentliche Mängel, die mit noch so vielen Euro allein
nicht zu reparieren sind.
Da stellt sich etwa die Frage, ob zusätzliches Geld tatsächlich bei
denen ankommt, für die es gedacht ist. Lesen Kinder mehr, kommen sie
besser ausgerüstet in die Schule, werden sie gesünder ernährt,
bewegen sie sich, erfahren sie größere Zuwendung, wenn der gestresste
Dispo der Eltern leicht aufatmet? Löst mehr Geld tatsächlich die
grundlegenden Probleme von Familien aus bildungsfernen Schichten? Was
sollen, zweitens, Geringverdiener mit vier, fünf Kindern sagen, die
sich mit eigener Kraft durch ein karges Leben schlagen und tapfer
ringen, dass es ihren Kindern mal besser geht?
Man muss nicht gleich den Sarrazin machen, um festzustellen, dass
Geld zwar eine, aber nicht die einzige Voraussetzung bildet, um
Kinder seelisch, körperlich und geistig fit zu machen für eine
komplexe Zukunft. Mehr noch als neue Klamotten braucht der Nachwuchs
Zeit und Geduld, Aufmerksamkeit und gute Gefühle. Dann nehmen sie
auch an Internet und Computerspielen keinen Schaden.
Paradoxerweise aber scheinen Kinder gerade in jenen Milieus zu
verwahrlosen, die, theoretisch jedenfalls, genügend Zeit für
Erziehung aufbringen müssten. Das weithin grassierende Brutproblem
ist eben nicht nur ökonomisch begründet. Wer die Grundlagen halbwegs
ordentlicher Erziehung schon von seinen Vorfahren nicht vermittelt
bekam und nur dem Fernseher vertraut, der muss den anspruchsvollen
Job des Elternseins erst einmal lernen. Sonst gehen 50 zusätzliche
Euro für einen weiteren Systemschein beim Lotto drauf oder eine
Extraportion Goldkrone.
Es wäre zumindest einen Versuch wert, soziale Leistungen an soziale
Pflichten zu knüpfen. Eltern, die es nicht schaffen, ihr Kind jeden
Morgen pünktlich, satt und halbwegs vorbereitet in die Schule zu
schicken, brauchen statt Geld zunächst mal Nachhilfe in
Haushaltsführung, Hausaufgabenkontrolle und grundsätzlichen Fragen
der Pädagogik. Nicht nur Kinder, sondern auch ihre weithin
ahnungslosen Eltern gehören in die Schule.
Ein paar Milliarden zusätzlich, das ist die billigste Art von Politik
und Gesellschaft, sich aus der Verantwortung zu stehlen, was eine
Gesellschaft auf Dauer jedoch um so teurer zu stehen kommt. Erst wer
mit Geld kindgerecht umzugehen weiß, kann höhere Sozialleistungen
auch sinnvoll einsetzen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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