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Landeszeitung Lüneburg: Atomarer Gegenwind für Windenergie - Verbandspräsident Albers kritisiert Laufzeitverlängerung für Meiler

Geschrieben am 15-10-2009

Lüneburg (ots) - Unterhändler von Union und FDP sind sich einig:
Die Laufzeit von Atomkraftwerken soll verlängert werden, Kernenergie
soll als "Brückentechnologie" dienen. "Eine falsche Weichenstellung
in die Vergangenheit", rügt Hermann Albers, Präsident des
Bundesverbandes Windenergie: "Monopole werden zementiert, Jobs und
ein Exportschlager gefährdet.

"Sichere Atomkraftwerke" sollen über 2022 hinaus unbefristet am
Netz bleiben. Welche Folgen hat dies für die regenerativen Energien?

Hermann Albers: Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken
gefährden den Ausbau der regenerativen Energien. Wir konnten nach dem
Atomkonsens davon ausgehen, dass die Kernenergie bis etwa 2023 am
Netz sein würde -- allerdings mit abnehmender Leistung. Diese wollen
wir mit erneuerbaren Energien ersetzen. Die Erneuerbaren
Energien-Branche kann bis 2020 etwa jede zweite Kilowattstunde Strom
bereitstellen -- wenn man uns lässt.

Die "Zusatzgewinne" der Energiekonzerne wollen die Koalitionäre
abschöpfen, um damit regenerative Energien zu fördern. Ist dies ein
adäquater Ersatz für Ihr Vorhaben?

Albers: Ganz sicher nicht. Denn längere Laufzeiten von
Kernkraftwerken zementieren die bestehenden Monopole der
Energiewirtschaft. Das kann überhaupt nicht im Interesse der FDP
sein, die seit Jahren mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt fordert.
Laufzeitverlängerungen konterkarieren dieses Ziel. Die vier
Energieriesen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall teilen sich aktuell 87
Prozent des Strommarktes auf. Eine Laufzeitverlängerung festigt
diesen Status Quo und verhindert eine Liberalisierung des
Strommarktes.

Offshore-Windparks erfordern hohe Investitionen. Gibt es für
Konzerne, die abgeschriebene Atommeiler melken können, noch einen
Anreiz, neue Wege zu gehen?

Albers: Kaum. Die Branche der Erneuerbaren warnt seit Jahren
davor, dass eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke den Anreiz
für die großen Vier sinken lässt, in Offshore zu investieren.
Schließlich ist die Versorgung der Strommärkte durch abgeschriebene
Atommeiler deutlich gewinnträchtiger als die Investition in
technologisches Neuland wie die Windenergie auf hoher See. Es ist zu
befürchten, dass die Stromkonzerne zwar die Claims für die
Offshore-Projekte sichern, die Umsetzung der Projekte aber nicht
vorantreiben. Schließlich würde der Offshore-Strom den Strom aus
eigener Kohle und Atom verdrängen. Der zwingend notwendige Umbau des
deutschen Kraftwerksparks hin zu einer dezentralen, erneuerbaren und
damit vor allem klimaschützenden Energieerzeugung wird auf diesem
Wege aufgehalten.

30000 Jobs sollten in Norddeutschland durch die Windparks vor der
Küste entstehen. Ein Ziel, von dem man sich verabschieden muss?

Albers: Warten wir zunächst mal ab, wie die
Koalitionsvereinbarungen im Detail aussehen. Richtig ist aber, dass
ein Ausbau der Windkraftanlagen sowohl auf See als auch an Land
großes Jobpotenzial hat. Bei den erneuerbaren Energien insgesamt
könnte -- ihren weiteren Ausbau vorausgesetzt -- die Zahl der
Arbeitsplätze von jetzt 280000 auf 500000 im Jahr 2020 steigen.
Dieses Ziel wackelt, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien
verlangsamt wird. Darüber hinaus gefährdet ein Abbremsen des Ausbaus
der Erneuerbaren Energien den deutschen Exportschlager Windenergie:
Über 80 Prozent aller produzierten Anlagen aus deutscher Produktion
werden ins Ausland verkauft. Die deutsche Volkswirtschaft profitiert
erheblich von diesem Erfolg.

Vattenfall droht trotz des Einstiegs in den Ausstieg der
Totalausfall: Sowohl Brunsbüttel als auch Krümmel gelten als
Abschalt-Kandidaten. Ein Anreiz, in Windkraft zu investieren?

Albers: Alle Energieversorgungsunternehmen haben die Erneuerbaren
auf der Agenda. Es bleibt abzuwarten, ob den Ankündigungen auch
wirklich Taten zum Ausbau von Wind, Sonne & Co. in Deutschland
folgen. Deshalb kann ich der künftigen Bundesregierung nur raten,
sich beim Ausbau der Erneuerbaren Energien weiterhin auf die
"Tempomacher" der letzten Jahre zu verlassen. Das ist der deutsche
Mittelstand. Auf dessen Engagement für den Ausbau Erneuerbarer
Energien ist Verlass, um das deutsche Klimaschutzziel -- Reduktion
der deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 --- zu erreichen.

War der Ausbau der norddeutschen Küstenhäfen in der Erwartung des
Offshore-Booms vergebens?
Albers:

Das ist zu befürchten, wenn das Ausbautempo bei der Windkraft
gedrosselt wird. Wir hinken ohnehin den Wettbewerbern in
Großbritannien, Schweden oder Dänemark um acht Jahre hinterher. Die
Politik hat aber erkannt, dass die Windkraft die größten Chancen
bietet, kostengünstig CO2-freien Strom zu produzieren. Seit Anfang
des Jahres hat der Gesetzgeber mit der Novelle des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes einen verlässlichen wirtschaftlichen
Rahmen für die Offshore-Windenergie gesetzt. Wer das wenige Monate
später in Frage stellt, bricht das Vertrauen in die Kontinuität
deutscher Politik. Das wäre sicher kein Ruhmesblatt im globalen
Wettbewerb um die besten Klimaschutztechnologien.

Alte Atommeiler, neue Kohlekraftwerke und Offshore-Windparks
würden für Überkapazitäten sorgen und den Strompreis drücken. Stirbt
die Windkraft auf dem Altar des Profits?

Albers: Die wirtschaftliche Rendite bestimmt natürlich das
Tagesgeschäft der großen Energieversorger. Wer alle Energiearten
anbietet, stellt sich dann die Frage, welche die profitabelste ist.
So fallen zukunftsträchtige, aber momentan bei der Stromerzeugung
teurere Energieträger durchs Raster. Der Betrieb von Kohlekraftwerken
scheint profitabler, wenn die CO2-Emissionen nicht berücksichtigt
werden. Und der Betrieb von Atommeilern scheint profitabler, wenn
Entsorgung und Versicherung in der Rechnung außen vor bleiben. Das
ist zu kurz gedacht. Deutschland braucht eine wirkliche Energiewende
hin zu einem dezentralen und erneuerbaren Kraftwerkspark. Dabei
spielt die immer wieder genannte Grundlast in der Zukunft eine immer
unwichtigere Rolle. Wir brauchen im Jahre 2020 nur noch etwa halb so
viel Grundlastkraftwerke wie heute. Stattdessen brauchen wir neben
einer intelligenten Vernetzung aller Erneuerbaren neue
Speichertechnologien und flexible Kraftwerke, die auf das variierende
Stromangebot der Erneuerbaren reagieren können. Kern- und
Kohlekraftwerke können diese Anforderungen nicht erfüllen. Sie sind
Dinosaurier im erneuerbaren Kraftwerkspark der Zukunft. Sie
verstopfen die Netze und sorgen dafür, dass bestehende Monopole
gestärkt, erneuerbare Energien und Klimaschutz hingegen geschwächt
werden.

Welche Chancen hat unter diesen Bedingungen der Ausbau der Netze,
an dem es hapert?

Albers: Ganz sicher müssen die Netze massiv aus- und umgebaut
werden. Notwendig ist eine leistungsfähige Infrastruktur für eine
dezentrale, erneuerbare und damit klimaschützende Energieerzeugung.

Gibt es strategische Konflikte innerhalb der Konzerne?

Albers: Ganz bestimmt sogar. Die für die deutsche Energiepolitik
entscheidende Frage ist. Wer setzt sich in der künftigen Ausrichtung
der Energieversorger durch? Die etablierte Mehrheit der fossilen und
nuklearen Dinosaurier oder aber die wachsende Anhängerschaft der
Erneuerbaren? Davon unbeeindruckt investiert der deutsche Mittelstand
weiter in die Erneuerbaren Energien, um das Ausbautempo hochzuhalten.
Es wird uns auch ohne die heutigen Monopolisten gelingen, bis 2020
jede zweite Kilowattstunde aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse
bereit zu stellen, wenn Politik und Energiewirtschaft uns lassen.

Die Subventionen für Solaranlagen auf Äckern sollen sofort fallen.
Verabschiedet sich Deutschland von seinen Klimaschutzzielen?

Albers: Auch hier bleibt der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag im
Detail abzuwarten. Fakt ist: Die deutsche Solarenergiewirtschaft hat
bisher eine beachtliche Leistung hingelegt. Deren Startschuss fiel
erst 2000, dennoch haben wir schon erhebliche Preisrückgänge in
diesem Bereich zu verzeichnen. Die Branche selbst kündigt an, dass
Solarstrom bereits in fünf Jahren zu dem Preis angeboten werden kann,
zu dem die Energieriesen jetzt liefern. Das würde den Durchbruch für
diese Industrie bedeuten. Notwendig für diesen jungen Industriezweig
sind Investitionssicherheit und ein deutscher Heimatmarkt.
Überstürzte Kürzungen der EEG-Förderung bremsen die bisher positive
Entwicklung ab. Wir brauchen alle Erneuerbaren Energien im Konzert,
um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen.

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65442
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65442.rss2

Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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