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Black Box Heil- und Hilfsmittel

Geschrieben am 13-10-2009

Berlin (ots) - Die seltene Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose,
wenig bekannte aber häufig vorkommende Krankheitsbilder wie das
Fybromyalgiesyndrom (FMS) oder Sprachstörungen im Kindesalter werden
mit Heil- und Hilfsmitteln zentral versorgt. Die jährlichen
Zuwachsraten von Atemtherapiegeräten, Physiotherapien oder Logopädien
sind kontinuierlich und hoch. In der Öffentlichkeit wird der
viertgrößte Ausgabenblock der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
aber kaum wahrgenommen. Mit Blick auf die Aufgabenentwicklung und
Versorgungsauffälligkeiten kritisiert Professor Gerd Glaeske, Autor
des GEK Heil- und Hilfsmittel-Reports 2009: "In Sachen Transparenz
liegt der Bereich 15 Jahre hinter dem Arzneimittelbereich zurück, die
Entwicklung von Qualitätsstandards befindet sich noch in den
Kinderschuhen. Wir brauchen mehr Studien und Nutzennachweise." Ist
die Heil- und Hilfsmittelversorgung in Deutschland eine Black Box?

Zum sechsten Mal erscheint der GEK Heil- und Hilfsmittel-Report.
In der aktuellen Ausgabe stellt das Wissenschaftlerteam vom Zentrum
für Sozialpolitik der Universität Bremen (ZeS) die Relevanz der Heil-
und Hilfsmittelversorgung für seltene und wenig wahrgenommene
Erkrankungen heraus. Bis zu zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung
leidet zum Beispiel unter dem kaum bekannten Fibromyalgiesyndrom
(FMS), einer chronischen Schmerzerkrankung. Interessant dabei: Frauen
sind sechsmal häufiger betroffen als Männer, 50 Prozent der Patienten
leiden zusätzlich unter Depressionen. FMS stößt längst in
Kostendimensionen von Diabetes-, Rheuma- oder Rückenschmerztherapie
vor, von einer qualitätsgesicherten Behandlung ist man aber weit
entfernt. Der Report zeigt nun: Viel zu viele Patientinnen bekommen
passive Maßnahmen verordnet. Auch die kombinierte
Arzneimitteltherapie läuft häufig in die falsche Richtung. Professor
Glaeske: "FMS-Patienten brauchen vor allem aktivierende
Krankengymnastik, keine Massagen."

Wie leistungsfähig die Hilfsmittelversorgung sein kann, zeigt das
Beispiel der schweren Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. War die
Lebenserwartung der Betroffenen vor 20 Jahren noch auf das
Kindesalter beschränkt, erreichen heute 80 Prozent das 45. Lebensjahr
- auch dank innovativer Atemtherapiegeräte. Diese nehmen unter den
ausgabenstärksten Hilfsmittelproduktgruppen der GEK Platz 1 ein. Doch
der Therapieerfolg hat eine Kehrseite. Dazu Claudia Kemper,
Mitautorin des Reports: "Die Komplikationen der Erkrankung verlagern
sich in das Erwachsenenalter. Inzwischen ist jeder zweite
Mukoviszidosepatient über 18 Jahre alt, es fehlt häufig an
Spezialambulanzen für die Erwachsenen. Transitional Care, also der
Versorgungsübergang vom Kinder- und Jugendalter zu einer adäquaten
Versorgung im Erwachsenenalter, muss in Deutschland dringend Thema
werden."

Der Heil- und Hilfsmittelbereich steht für krisenfestes Wachstum.
In der gesamten GKV lag der Verordnungsanstieg 2008 bei plus 5,6
Prozent gegenüber dem Vorjahr (5,8 Prozent bei Heilmitteln, 3,6
Prozent bei Hilfsmitteln). 2007 hatte das Wachstum noch insgesamt 4,7
Prozent betragen. Die kontinuierlichen Zuwachsraten spiegeln sich
auch auf kassenindividueller Ebene wider. Die GEK gab 2008 insgesamt
rund 182 Millionen Euro in diesem Bereich aus, rund 92 Millionen für
Heil- und 90 Millionen für Hilfsmittel. Das entspricht einem Wachstum
von rund 4,2 Prozent pro Versichertem, 3,5 Prozent im
Heilmittelbereich und 4,8 Prozent im Hilfsmittelbereich.

Glaeske, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der
Entwicklung im Gesundheitswesen, verweist auf die starken regionalen
Unterschiede der Ausgaben und Richtgrößen, die medizinisch kaum zu
rechtfertigen seien: "In puncto Transparenz, Nutzenbewertung und
Evidenzbasierung muss die Heil- und Hilfsmittelversorgung noch
aufholen. Wie in der Arzneimittelversorgung brauchen wir
versorgungsorientierte und angemessene Richtgrößen."

Denn nicht jeder Ausgabenanstieg dürfte allein auf
Morbiditätssteigerung zurückzuführen sein. So erhalten mittlerweile
acht Prozent bzw. jeder elfte GEK Versicherte unter 10 Jahren
logopädische oder ergotherapeutische Verordnungen. GEK Vorstand Dr.
Rolf-Ulrich Schlenker vermutet einen Verlagerungseffekt: "Offenbar
werden immer früher Ärzte, Ergotherapeuten und Logopäden
hinzugezogen, auch weil Eltern und Erzieher verunsichert oder
überfordert reagieren. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat erst
kürzlich die Behandlungsanforderungen für ADHS weiter differenziert.
Auch bei den Heilmittelverordnungen wie der Sprach- und
Bewegungstherapie müssen wir genauer hinschauen und vermeiden, dass
wir zur Therapiegesellschaft werden."

Originaltext: Gmünder ErsatzKasse GEK
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/9462
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_9462.rss2

Pressekontakt:
Dr. Kai Behrens
Pressesprecher
Gmünder ErsatzKasse GEK
Kronenstraße 3
10117 Berlin

Tel.:(030)2061 87 99 18
Fax: (030)2061 87 99 33
Mobil: (0176)62 00 65 44
E-Mail: kai.behrens@gek.de
Internet: http://www.gek.de


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