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Getränkekartons noch "ökologisch vorteilhaft"?

Geschrieben am 29-06-2009

Berlin (ots) - Zwei von drei Recyclinganlagen für deutsche
Getränkekartons haben Kapazitäten stillgelegt - Unbestimmte Mengen
werden offensichtlich verbrannt oder zur Verwertung nach Spanien
verbracht - Deutsche Umwelthilfe bezweifelt die "ökologische
Vorteilhaftigkeit" von Getränkekartons

Seit Ende der neunziger Jahre werden Getränkekartons für Milch,
Fruchtsäfte und andere Getränke auf Basis zuvor durchgeführter
Ökobilanzen als "ökologisch vorteilhafte Verpackungen" definiert.
Wegen dieser Einstufung sind die aus Kunststoff, Papier und Aluminium
bestehenden Verbundverpackungen von der Pfandpflicht befreit, wenn
darin pfandpflichtige Getränke abgefüllt sind. Sie sind daher
gegenüber anderen Einweg-Getränkeverpackungen privilegiert. Die
aktuelle Praxis beim Recycling und bei der Verwertung lässt
befürchten, dass diese Einstufung nicht mehr gerechtfertigt ist. Die
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) fordert daher eine Überprüfung der
angeblichen ökologischen Vorteilhaftigkeit von Getränkekartons durch
das Bundesumweltministerium.

Die Einstufung als "ökologisch vorteilhaft" setzt ein qualitativ
und quantitativ hochwertiges Recycling voraus: Mindestens 60 Prozent
der so genannten Verbundverpackungen - zu ihnen gehören auch die
Getränkekartons - müssen stofflich verwertet werden. Ende 2008 und
Anfang 2009 haben jedoch zwei von drei Verwertungsanlagen, in denen
die deutschen Getränkekartons zuvor verwertet wurden, ihre
Kapazitäten stillgelegt. Infolge der damit verbundenen erheblichen
Engpässe bei der Verwertung leidet die Recyclingqualität und steigt
die Umweltbelastung. "Seit Anfang 2009 wird in keiner Recyclinganlage
mehr das Aluminium aus den deutschen Getränkekartons zurück gewonnen,
große Chargen leerer Getränkekartons aus Deutschland per Lkw bis nach
Spanien verschoben und schließlich werden Getränkekartons in
Deutschland offensichtlich zu 'Ersatzbrennstoffen' verarbeitet und
anschließend verbrannt. Unter solchen Umständen ist die Ökobilanz von
Getränkekartons äußerst fragwürdig", erläuterte Jürgen Resch,
DUH-Bundesgeschäftsführer.

Jährlich werden in Deutschland über 220.000 Tonnen
Getränkeverpackungen in den Verkehr gebracht. Im vergangenen Jahr
wurden 65 Prozent davon, etwa 145.000 Tonnen, erfasst und verwertet.
Bislang wurden die Getränkekartons aus den deutschen "Gelben Tonnen"
und Säcken in drei Verwertungsanlagen recycelt. Doch seit Dezember
2008 und Januar 2009 haben zwei dieser Anlagen, nämlich die der
Corenso United Oy Ltd. in Varkaus (Finnland) und der Mondi Packaging
Raubling GmbH, ihre Kapazitäten stillgelegt. In der einzig übrig
gebliebenen Anlage, Niederauer Mühle bei Kreuzau, in der im
vergangenen Jahr 67 Prozent der in Deutschland gesammelten
Getränkekartons (insgesamt also rund 97.000 Tonnen) verwertet wurden,
wurden in den ersten vier Monaten 2009 allerdings nur 14.000 Tonnen
Getränkekartons stofflich verwertet.

Nach DUH-Berechnungen bestünden in Deutschland selbst bei
maximaler Auslastung der Niederauer Mühle zwischen Mai und Dezember
2009 und einem kurzfristigen Einsatz von Kapazitäten der Fa. Mondi
Packaging Raubling GmbH im zweiten Halbjahr 2009 nur theoretische
Verwertungskapazitäten für insgesamt rund 110.000 der insgesamt
anfallenden 220.000 Tonnen bzw. der gesammelten 145.000 Tonnen
deutscher Getränkekartons. "Damit fehlen selbst nach unseren
ausgesprochen wohlwollenden Berechnungen für das Jahr 2009 in
Deutschland Verwertungskapazitäten für mindestens 35.000 Tonnen der
in Deutschland gesammelten Getränkekartons. Die Menge füllt fast
1.500 große LKW, das entspricht einer LKW-Reihe von über 27
Kilometern Länge", erklärte die Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der
DUH, Maria Elander. Legt man die Vorjahreszahlen zugrunde, wurden im
ersten Halbjahr 2009 bislang etwa 70.000 Tonnen Getränkekartons aus
der haushaltnahen Wertstoffsammlung erfasst. "Nach den von uns
ermittelten derzeitigen Anlagenkapazitäten und den Angaben des
Verbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahungsmittel zum
tatsächlichen Betrieb der einzigen deutschen Anlage, die derzeit
regelmäßig in Betrieb ist, ist zu befürchten, dass nicht viel mehr
als die Hälfte der im ersten Halbjahr 2009 angefallenen Mengen in
Deutschland verwertet wurde", erläuterte Elander.

Seit Anfang des Jahres häufen sich nach Brancheninformationen die
Getränkekartons auf den Geländen der Sortieranlagen. Die Duales
System Deutschland GmbH (DSD) - derzeit für die Verwertung von rund
zwei Dritteln (ca. 100.000 Tonnen) der gesammelten Getränkekartons
verantwortlich - bestätigte der DUH auf Anfrage, dass derzeit ein
Teil dieser Flüssigkeitskartons in Spanien verwertet werde.
Gleichzeitig verweigerte DSD weitere Auskünfte hinsichtlich ihrer
Verwertung. Weder ist die in Spanien eingesetzte Anlagentechnik
bekannt noch sind es die dort verwerteten Mengen. Teilweise lagern
die sortierten Getränkekartons im Freien und werden anschließend nach
nicht abschließend bestätigten Informationen in unbekanntem Ausmaß
zum Teil als Ersatzbrennstoffe verbrannt. Ein auf die Produktion von
Ersatzbrennstoffen spezialisiertes Unternehmen bestätigte gegenüber
der DUH die Annahme von leeren Getränkekartons zu einem Preis von 60
Euro pro Tonne.

Getränkekartons gelten nach der Verpackungsverordnung weiter als
"ökologisch vorteilhaft" und sind deshalb generell von den
Pfandregelungen ausgenommen. "Die Einstufung als ökologisch
vorteilhaft basiert unter anderem auch auf der Annahme eines
funktionierenden Recyclings der insgesamt in Verkehr gebrachten
Getränkekartons. Das entspricht einfach nicht der derzeitigen
Situation in Deutschland. Verbrennung oder Transport von
Getränkekartons über mehr als 1.000 Kilometer ist ökologischer
Irrsinn. Die aus einem festen Verbund von Plastik, Karton und
Aluminium bestehenden Einwegverpackungen als 'ökologisch vorteilhafte
Verpackungen' zu verkaufen, grenzt an Verbrauchertäuschung", sagte
Resch.

Da den Getränkekartons über die Befreiung von der Pfandpflicht
explizite Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Verpackungsarten
eingeräumt würden, fordere die DUH neben der durch die DUH
geforderten Überprüfung der derzeitigen Praxis durch das BMU, dass
diesem Segment der Verbundverpackungen eine explizit nachzuweisende
eigene Mindestverwertungsquote abverlangt wird.

Hintergrund
Im Dezember 2008 wurde die Anlage der Corenso United Oy Ltd. in
Varkaus (Finnland) "permanent stillgelegt". Als einzige der drei für
das Recycling deutscher Getränkekartons regelmäßig eingesetzten
Anlagen verfügte die finnische Fabrik über eine
Aluminium-Rückgewinnung. In Deutschland wurde diese Technik über
viele Jahre hinweg versprochen aber nicht realisiert. Im Januar 2009
wurde die Verwertung von Getränkekartons auch in der Anlage der Mondi
Packlaging Raubling GmbH eingestellt. Seitdem werden dort nach
Aussage des Unternehmens ausschließlich kleinere Mengen angenommen
und verarbeitet. In der einzig verbliebenen Anlage, Niederauer Mühle
bei Kreuzau (NRW), wurden in den ersten vier Monaten 2009 nur 14.000
Tonnen Getränkekartons verwertet.

Die maximale jährliche Verarbeitungskapazität der Niederauer Mühle
beträgt zwar 130.000 Tonnen. Doch der Anteil der Getränkekartons aus
der deutschen haushaltsnahen Wertstoffsammlung betrug in den
Vorjahren lediglich zwischen 70-80 Prozent; der Rest der
angelieferten Materialien stammte aus anderen Quellen, darunter
Getränkekartons aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden oder
Produktionsabfällen. Wenn die Niederauer Mühle in diesem Jahr erneut
maximal 80 Prozent Getränkekartons von der haushaltnahen Sammlung
entgegennimmt und zwischen Mai und Dezember ab an der
Kapazitätsgrenze gefahren wird, könnten nach wohlwollenden
Schätzungen der DUH dort im Jahr 2009 rund 83.000 Tonnen
Getränkeverpackungen verwertet werden. In der Verwertungsanlage der
Fa. Mondi Packaging Raubling GmbH wurden nach Aussage des
Anlagenbetreibers im ersten Halbjahr 2009 nur sehr geringe Mengen
Getränkeverpackungen verarbeitet. Selbst für den Fall, dass der
Anlagenbetrieb im zweiten Halbjahr kurzfristig wieder aufgenommen
wird, könnten im Jahr 2009 dort nach Informationen der DUH insgesamt
maximal rund 25.000 Tonnen Getränkekartons verarbeitet werden.
Insgesamt bestünden in Deutschland folglich theoretische
Verwertungskapazitäten für maximal 110.000 der 220.000 Tonnen
anfallender bzw. 145.000 Tonnen gesammelter deutscher
Getränkekartons.

Im Rahmen der Produktverantwortung sind die
Getränkekartonhersteller für die ordnungsgemäße Verwertung von
Getränkeverpackungen zuständig, wobei diese Verantwortung im Rahmen
der haushaltnahen Wertstoffsammlung auf die dualen Systeme übertragen
worden ist. Die ReCarton GmbH ist für die Verwertung eines Drittels
(ca. 50.000 Tonnen) und die Duales System Deutschland GmbH für die
Verwertung von rund zwei Dritteln (ca. 100.000 Tonnen) der in
Deutschland gesammelten Getränkekartons verantwortlich.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400
867-19, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-21, Fax:
030 2400867-19, Mobil: 0171 566 05 77, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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