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Südwest Presse: Kommentar zur Linkspartei

Geschrieben am 21-06-2009

Ulm (ots) - Zwei Jahre nach ihrer Fusion aus ostdeutsch geprägter
PDS und im Westen entstandener WASG ist die Linkspartei zwar zu einer
festen Größe im politischen System der Bundesrepublik geworden, aber
längst noch nicht ist zusammengewachsen, was aus taktischem Kalkül zu
einer organisatorischen Einheit verschweißt wurde. Unter dem
gemeinsamen Dach tummeln sich vielmehr Einzelkämpfer wie Oskar
Lafontaine, der die neue Plattform für seinen Rachefeldzug gegen die
SPD instrumentalisiert, und ein Dutzend unterschiedlicher Strömungen,
die mal die Abschaffung des Kapitalismus, mal seine Zähmung
verlangen. Es handelt sich bei der Linkspartei also um eine "lose
verkoppelte Anarchie", wie es einst auch schon mal über die intern
heftig zerstrittenen Sozialdemokraten hieß.
Nun sind Lafontaine und die anderen Strategen an der Spitze der
Linken klug genug, die Fliehkräfte innerhalb der Partei so weit zu
bändigen, dass der greifbare Wahlerfolg im Herbst nicht unnötig
gefährdet wird - die jüngste Europa-Wahl war ein Menetekel. Den
führenden Genossen ist klar, dass man die Bürger in Deutschland nicht
mit einem Programm verschrecken darf, das auf Umsturz zielt, und mit
andauernden Personalquerelen, die Ausdruck tief greifender
ideologischer Kontroversen sind. Also bietet die Linkspartei zum
Auftakt des Wahlkampfs ein Bild scheinbar harmonischen Einvernehmens
über einen Mittelkurs zwischen Revolution und Realpolitik. Das nennt
man dann Dialektik.
In Wahrheit ist die programmatische Ausrichtung der Linken offen, ihr
machtpolitischer Anspruch vage. Erst wenn sich die Partei im nächsten
Jahr endlich traut, über ein Grundsatzpapier zu diskutieren und darin
belastbare Aussagen zur Zukunft von Wirtschaft, Staat und
Gesellschaft zu definieren, werden wir wissen, was sich hinter dem
doch so ambitionierten Markennamen wirklich verbirgt - diffuser
Protest, DDR-Nostalgie, linker Populismus oder ein ernst zu nehmender
Ansatz sozialer und ökonomischer Reformen jenseits von Dogmen und
Verbalradikalismus.
Entgegen Lafontaines Beteuerung, sich einer Zusammenarbeit mit der
SPD nicht zu verweigern, steht das Wahlprogramm der Linkspartei
unverändert für Fundamentalopposition im Bund. Das betrifft nicht
einmal so sehr die milliardenschweren Konjunktur- und
Investitionsspritzen, mit denen der selbst ernannte Weltökonom von
der Saar die globale Finanzkrise zu überwinden verspricht. Auch die
amtierende Bundesregierung ist ja gegenwärtig kein Vorbild an
Ausgabendisziplin und nachhaltiger Haushaltsführung. Und die
Forderung, private Banken in Volkseigentum zu überführen, ist
ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal der Linkspartei mehr. Doch
schließt sich eine Partei, die dem europäischen Integrationsprozess
distanziert gegenübersteht, die den Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan als "Kriegstreiberei" denunziert und sich aus den
militärischen Strukturen der Nato verabschieden will, als
potenzieller Partner in einem Bündnis mit der SPD und den Grünen
selbst aus.
Solange Oskar Lafontaine das Sagen in der Linkspartei hat, wird sie -
jedenfalls in der Bundespolitik - im Abseits galliger Systemkritik
verharren. Offenkundig herrscht unter den Linken die Überzeugung vor,
dass der ehemalige SPD-Chef ihnen einstweilen noch mehr nutzt als
schadet.
Aber es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Stimmung in der Partei
dreht. Schließlich verfügen die Linken durchaus über ein Reservoir an
jüngeren Begabungen im Bund und in den Ländern, die sich von
Lafontaine und seinem Egotrip emanzipieren wollen. Hierin liegt die
Chance der Partei - nicht bis zum 27. September, aber danach.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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