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Berliner Morgenpost: Kommentar: Die Türkei nährt Zweifel an ihrer EU-Tauglichkeit

Geschrieben am 06-04-2009

Berlin (ots) - Noch wird er zu Hause gefeiert; von seinen
islamischen Anhängern wie von den Nationalisten im Lande. Doch nicht
allein für Ministerpräsident Tayyip Erdogan droht das Schachern um
den neuen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zum Pyrrhussieg
zu werden, sondern gleich für die ganze Türkei. Wer die Verbündeten
so schamlos erpresst, wie es Erdogan von Ankara aus getan hat, um
dessen Ruf als verlässlicher Partner und ehrlicher Makler ist es
schlecht bestellt. Auf beides aber muss die Türkei bauen, wenn sie
weiter an ihrem strategischen politischen Ziel festhalten will, als
Vollmitglied in die Europäische Union aufgenommen zu werden.
Besonnene Stimmen in der Türkei warnen denn auch, dass die
Beziehungen der Türkei insbesondere zur EU dauerhaften Schaden
genommen hätten.
Dem ist schwerlich zu widersprechen. Daran ändert sich auch dadurch
nichts, dass nach Präsident George W. Bush nun auch dessen Nachfolger
Barack Obama die Europäer drängt, die Türkei als Vollmitglied in die
Gemeinschaft, die ähnlich wie die Nato auch eine der gemeinsamen
Werte ist, aufzunehmen. Was aus strategischer Sicht der Weltmacht
Amerika verständlich sein mag, bleibt irgendwann einer alleinigen
Entscheidung aller EU-Mitglieder vorbehalten. Derzeit sind die
Vorbehalte bei vielen Mitgliedern bis hin zur kategorischen Ablehnung
(Frankreich) sehr groß. Und die Zahl der Bedenkenträger wird weiter
wachsen nach Erdogans Machtpose.
Seine Ablehnungsgründe gegenüber dem Dänen Rasmussen sind
inakzeptabel für eine Union, die mehr als nur eine wirtschaftliche
ist, in der Toleranz und Meinungsfreiheit ebenso hohe Werte sind wie
Kompromissbereitschaft, ohne die ein vereintes Europa nicht
lebensfähig ist. Die Ernennung Rasmussens wochenlang zu boykottieren,
weil der es als dänischer Ministerpräsident abgelehnt hatte, sich
gegenüber der islamischen Welt für die Mohammed-Karikaturen in einer
Zeitung seines Landes zu entschuldigen, verstieß eklatant gegen diese
Grundprinzipien der EU. Dass sich Erdogan am Ende seine Zustimmung
doch hat abkaufen lassen, macht die Sache nicht besser. Sie weckt
vielmehr neue Zweifel an der EU-Tauglichkeit der Türkei, weil sie
eine Vorahnung vermittelt, wie sich das Brückenland zwischen Europa
und Nahem Osten verhalten wird, wenn es erst Mitglied der Union
geworden ist.
Die Türkei sei nun einmal das zweitmächtigste Nato-Mitglied,
rechtfertigt Erdogan seine Erpressungspolitik. Mit 100 Millionen
Einwohnern schon in ein paar Jahren wäre die Türkei im Fall der
Aufnahme in die EU deren bevölkerungsreichstes Mitgliedsland. Nach
den jüngsten Erfahrungen fällt es nicht schwer, sich vorzustellen,
welche Ansprüche mit welchen Methoden Ankara davon ableiten würde.
Erdogan hat seinem Land keinen Gefallen getan. Seit dem
EU-Ratsbeschluss von 1993 zählt auch die "Aufnahmefähigkeit der EU"
und damit ihre Kraft zu weiterer Integration zu den Voraussetzungen
einer Neumitgliedschaft. Nicht erst der Fall Rasmussen spricht dafür,
dass eine Aufnahme der Türkei die EU zu überfordern droht.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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