(Registrieren)

DER STANDARD - Kommentar "Der Anlass, die SPÖ zu wählen" von Michael Völker

Geschrieben am 30-06-2006

. . . ist nicht die SPÖ: Sie muss ihr Heil in einer Kampagne
gegen die anderen suchen

Wien (ots) - Die Bawag-Affäre ist an die Substanz der SPÖ
gegangen. Und zwar in einem viel größeren Ausmaß, als das die SPÖ
selbst wahrhaben wollte. Aus jetziger Sicht scheint die
Nationalratswahl verloren zu sein. Aus einem soliden Vorsprung in den
Umfragen ist mittlerweile ein ebenso solider Rückstand geworden, der
kaum noch aufzuholen ist.
Noch dramatischer wird es, wenn man sich Details anschaut: Die SPÖ
hat in all ihren Kernkompetenzen verloren. Die Sozialkompetenz hat
massiv gelitten, auch weil die Kapitalismuskritik angesichts der
roten Bonzen und ihrer "Karibik-Geschäfte", die eins zu eins Verluste
waren, völlig unglaubwürdig geworden ist. Die SPÖ hat vor allem bei
den Pensionisten, immer noch eine Kernwählerschaft, dramatisch an
Vertrauen eingebüßt. Die Angst, Geld zu verlieren, ist in dieser
Altersgruppe besonders ausgeprägt und wurde durch das Bawag-Debakel
ordentlich bedient.
In zwei anderen zentralen Kompetenzfeldern hat die SPÖ ebenfalls
stark verloren: Bildung und Gesundheit. Einfach deshalb, weil die SPÖ
mit ihren Themen nicht mehr durchkommt. Die Bawag und in der Folge
die Diskussion über den ÖGB decken alles zu.
Der SPÖ läuft die Zeit davon. Ein klassischer Wahlkampf mit den zuvor
gesteckten Themenkreisen kann nicht mehr funktionieren.
Alfred Gusenbauer hatte Recht, eine klarere Abgrenzung zum ÖGB
herbeiführen zu wollen und so die Diskussion für die SPÖ zu beenden.
Er hat die Konfrontation mit ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer (und dessen
Spezi Michael Häupl) vor allem auch in Kenntnis der jüngsten
Umfragewerte gesucht. Natürlich wäre es ein fatales Signal gewesen,
Hundstorfer den Spitzenplatz auf der Wiener Landesliste - oder sonst
einen Spitzenplatz - zuzugestehen.
Aber Gusenbauer hat sich verrechnet: Anstatt die Diskussion durch
ein Machtwort und eine Disziplinierungsmaßnahme zu beenden, hat er
sie vollends entfacht. Das lag an der ungeschickten Vorgangsweise -
ein handwerklicher Fehler.
Dafür kann man den SPÖ-Chef kritisieren. Dass dies jetzt aber täglich
ein anderer SPÖ-Promi tut, macht für die Partei die Katastrophe erst
perfekt. Einer nach dem anderen glaubt, sein Mütchen am Vorsitzenden
kühlen zu müssen. Das ist parteischädigend. Und man hat den Eindruck,
das geschieht mit Vorsatz. Vielleicht spricht es sich unter den
Landesgranden der SPÖ aber doch noch herum, dass der Feind nicht in
der Löwelstraße, sondern am Ballhausplatz im Bundeskanzleramt sitzt.
Gusenbauer weiß das - auch weil er selbst dorthin will. Das mag
für viele Sympathisanten aus dem Lager links der Mitte nicht
unbedingt ein zwingendes Motiv sein, die SPÖ zu wählen. Gusenbauer
ist nicht der überzeugende Kandidat, den man unbedingt als
Bundeskanzler haben will, und die SPÖ ist derzeit nicht in einem
Zustand, in dem man sie unbedingt an der Regierung sehen will. Das
ist nicht allein Gusenbauers Fehler, da helfen in der SPÖ momentan
allzu viele mit.
Was gäbe es also für einen Grund, die SPÖ zu wählen? Eigentlich nur
einen: die derzeitige Bundesregierung. Das könnte man auch anhand
ihrer Mitglieder argumentieren.
Es mag traurig für eine Partei sein, die Kraft zum Selbstvertrauen
nicht aus dem Wissen um die eigenen Stärken schöpfen zu können, der
SPÖ wird, will sie wenigstens ihre theoretischen Chancen wahren, aber
nichts anderes übrig bleiben, als die eigenen Themen hintanzustellen
und sich im Wahlkampf auf eine nachhaltige Kritik der Regierung zu
konzentrieren.
Eine Attacke gegen die Grünen zu reiten, an die man in jüngster Zeit
auch etliche Wähler verloren hat, könnte ebenfalls Sinn machen:
Wieder wegen der Regierung und der Möglichkeit, dass sich dort
Schwarz und Grün treffen könnten und so einen Bundeskanzler Schüssel
verlängern. Aus Sicht der SPÖ wäre das jedenfalls ein Motiv, die SPÖ
zu wählen - und eine reine Negativkampagne.
Die SPÖ wegen der SPÖ zu wählen, dazu gibt sie derzeit zu wenig
Anlass.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445

Originaltext: Der Standard
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62553
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62553.rss2


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

19578

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zum Druck auf Bush wegen Guantanamo: Die Notbremse Cottbus (ots) - Immerhin, wenigstens die Richter des Obersten Gerichts in Washington haben jetzt die Notbremse gezogen. Der Versuch der Bush-Regierung, einige der in Guantánamo einsitzenden Männer von obskuren Militär-Tribunalen aburteilen zu lassen, hat keine rechtliche Grundlage und verstößt gegen internationale Verpflichtungen der USA. Aber den weit über 400 Gefangenen nützt dieser Spruch zunächst wenig. Das Gericht hat es vermieden, zur Frage ihrer Inhaftierung klar Stellung zu nehmen. Offenbar gibt es dafür bei der Mehrheit der neun mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Föderalismus Halle (ots) - Doch die eigentliche Aufgabe beginnt erst. Bund und Länder werden stärker in die Verantwortung genommen, weil ihre Kompetenzbereiche künftig sauberer getrennt sind. Das muss mit Leben gefüllt werden. Allein der Hinweis auf verminderte Zustimmungsrechte in der Länderkammer, die Möglichkeit der Bundesregierung schneller zu Entscheidungen zu kommen, wird niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Gefordert sind zunächst einmal die Länder, deren Landtage mangels eigener Kompetenzen immer mehr unter Auszehrung litten. Gerade nachdem mehr...

  • LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Jan Ullrich und Fußball-WM Leipzig (ots) - Ansteckend Von Winfried Wächter Siegestrunkene Fußball-Fans, entsetzte Anhänger von Jan Ullrich. Der deutsche Sport erlebte gestern ein Wechselbad der Gefühle. Der im Vorfeld nur von kühnen Optimisten erwartete Einzug der Klinsmann-Truppe ins WM-Halbfinale löste eine derartige Jubelfeier im Lande aus, dass die Aufregung um den unter Doping-Verdacht stehenden Radsportstar am Abend fast in den Hintergrund geriet. Die neuen Helden kommen zur rechten Zeit. Im Land der vielen Nörgler, Zweifler und Zauderer macht sich dank ihrer mehr...

  • Rheinische Post: Die Reform mit Augenmaß Düsseldorf (ots) - Von Gregor Mayntz Seit sieben Jahren wissen Bund und Länder, dass es so nicht weitergeht: Blockierst Du meine Pläne, blockier ich Deine. Denn dahinter stehen nicht allein (oft nicht einmal im Ansatz) Länder- oder Bundesinteressen. Dahinter steht die Machtfrage. Deshalb taten sich die Spitzen so schwer, die Verantwortung sauber zu teilen. Beinahe wäre die Föderalismus-Reform wieder gescheitert: Zu viele Zweifel, ob sie das Gelbe vom Ei geworden ist. Doch die große Koalition, in der die Machtfrage partiell sozusagen mehr...

  • Rheinische Post: Baustelle Europa Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Eine der Regierungsparteien in Polen will die Europa-Flagge auf den Autokennzeichen verbieten zugunsten nationaler Insignien. Die erschreckende Begründung: Man dürfe nicht überall, wo man hinschaue, die europäische Flagge sehen. Europa ist nichts, dessen man sich schämen müsste. Die EU ist ein Erfolgsmodell, dem sich immer mehr Staaten anschließen wollen, und alle ziehen aus ihm ihren Nutzen. Die einen durch Aufbauhilfen, die andern durch Absatzmärkte. Die EU definiert sich nicht durch Negativbeispiele, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht