Südwest Presse: Kommentar zum Amoklauf
Geschrieben am 13-03-2009 |   
 
    Ulm (ots) - Wer war Tim K.? Wie wird ein Mensch so hasserfüllt?  Wer hat versagt? Drei Tage nach dem Amoklauf von Winnenden suchen die Menschen weiter nach Erklärungen für die verstörende Tat des  17-Jährigen, der 15  Menschen kaltblütig ermordet hat. Man will das  Unheil begreifen, will Schlüsse ziehen und sich für die Zukunft  wappnen, in der stillen Hoffnung, derart Fürchterliches möge nicht  wieder geschehen. Doch jeder spürt, dass es keine schnellen Antworten gibt. Tim K.  liebte Horrorfilme, saß Tage und Nächte vor dem Computer, tauchte in  die Welt blutiger Killerspiele ab. Das allein kann ihn nicht zum  Mörder gemacht haben. Der Mechanismus muss ein anderer sein: Wer sich klein, unbedeutend und ohnmächtig fühlt, wer vergeblich um  Anerkennung ringt, ist besonders empfänglich für Allmachtsphantasien. Tim K. hat sich die Spiele ausgesucht, die zu ihm passten. In den USA bereitet man damit Soldaten auf das Töten vor. Der Effekt lässt sich  im menschlichen Gehirn messen: Je länger man virtueller Gewalt  ausgesetzt ist, desto weniger Mitleid fühlt man auch für reale Opfer. Tim K. trug nicht nur einen unbändigen Hass in sich, er hatte auch  Gelegenheit, ihn auf schrecklichste Weise zu entladen. Die Waffe lag  im Schlafzimmer der Eltern. Was ist das für ein Vater, der das  Zuhause mit mehr als einem Dutzend Gewehren und Pistolen bestückt,  mit 4600 Schuss Munition und einem gut ausgebauten Schießstand im  Keller? Dennoch: Von einem Verbot der Killerspiele und einer  Verschärfung des Waffenrechts sollte man sich nicht zu viel  versprechen. Tim K. war ein psychisch kranker Junge mit zwei Gesichtern - einem  unauffälligen, das er seiner Umgebung jahrelang zeigte, und einem  zerstörerischen, das am letzten Tag seines Lebens alle Welt sehen  sollte. Diese Krankhaftigkeit macht Angst. Um sich zu beruhigen,  neigt man dazu, derartige Phänomene abzutrennen: Sobald das Anormale  identifiziert ist, kann man sich wieder in die Normalität  hinüberretten. Doch wie normal, wie gesund ist unser Alltag? Die Welt der Kinder hat sich so rasant verändert wie die der Erwachsenen. Der Druck in Schule und Arbeitswelt ist gestiegen, es zählen Effizienz, Erfolg und  Anerkennung. Wer nicht auffällt, wird nicht wahrgenommen, sagt der  Soziologe Wilhelm Heitmeyer, und wer nicht wahrgenommen wird, ist ein Nichts. Zu allen Zeiten gab es Hänseleien und Raufereien unter Jugendlichen,  doch nie waren sie von so verletztender Härte wie heute. Hetzen,  mobben, bloßstellen: Wer will, kann es im Internet rund um die Uhr  tun. Gewaltfilme und Pornographie, allzeit verfügbar, stumpfen ab,  lassen ein schales Gefühl zurück, das es durch neue Reize zu  vertreiben gilt. Zunehmend verkümmert, was Stress, Ärger und medialen Overkill ausgleichen könnte: das vertraute Gespräch, enge  Freundschaften mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten (wie merkwürdig altmodisch das klingt), der Fußballkick auf dem Bolzplatz. Aufmerksamkeit, Respekt und Mitgefühl zu schenken, kostet Mühe - in  Zeiten von Vernachlässigung und Wohlstandsverwahrlosung keine  gefragte Währung. Doch Eltern, deren Kind seine Freizeit mit den  falschen Spielen am Computer verbringt, können nachhaken und Grenzen  setzen. Lehrer, die beobachten, dass sich ein Schüler zurückzieht,  können nach den Ursachen forschen. Schüler, die sehen, dass andere  fertiggemacht werden, können sich an den Vertrauenslehrer wenden.  Oder schweigen. Jedes Mal hat man die Wahl. Jedes Mal geht es darum hinzuschauen,  sich zu rühren, Stellung zu beziehen. Kinder tun das, wenn Erwachsene es vorleben. Amokläufe, so viel ist gewiss, wird es auch in Zukunft  geben. Ohnmächtig sind wir dennoch nicht.
  Originaltext:         Südwest Presse Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2
  Pressekontakt: Südwest Presse Lothar Tolks Telefon: 0731/156218
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