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Umweltorganisationen kritisieren Seehofers Verbraucherinformationsgesetz (VIG): "Informationsblockade geht weiter"

Geschrieben am 27-06-2006

Berlin (ots) - Expertinnen von Greenpeace, Deutscher Umwelthilfe
und BUND warnen vor Verabschiedung im Bundestag -
Lebensmittelskandale würden auch künftig unter der Decke bleiben -
Unternehmen können sich Auskunftsbegehren der Bürger entziehen -
Grundlegende Nachbesserungen gefordert

27. Juni 2006: Vor der zweiten Lesung des
Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) im Bundestag haben die Umwelt-
und Verbraucherschutzorganisationen Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe
e.V. (DUH) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die
Große Koalition eindringlich davor gewarnt, den Entwurf wie
vorgesehen zu verabschieden. Das von Verbraucherschutzminister Horst
Seehofer (CSU) vorgelegte und von den Regierungsfraktionen ins
Parlament eingebrachte Gesetz sei in keiner Weise geeignet,
Verbraucherinnen und Verbrauchern für bewusste Kaufentscheidungen
zeitnah Informationen von Behörden und Unternehmen bereit zu stellen
und die strukturellen Informationsasymmetrien zu ihren Lasten zu
beseitigen. Damit werde der noch in der Koalitionsvereinbarung vom
November 2005 formulierte Anspruch, Verbraucherpolitik müsse "ein
Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und Geschäftsinteressen suchen",
massiv verletzt. Nicht die im Regierungsprogramm versprochene
"gleiche Augenhöhe" sei das Ziel des Gesetzes, sondern der Schutz der
Wirtschaft vor Auskunftsbegehren der Bürgerinnen und Bürger.

Greenpeace, DUH und BUND fürchten, dass das geplante Regelwerk das
bestehende Kräfteungleichgewicht zwischen Verbraucherinnen und
Verbrauchern auf der einen und Behörden und Unternehmen auf der
anderen Seite gesetzlich festklopft, statt es zu beseitigen. Dafür
nannten Expertinnen der Umweltorganisationen als Beispiele aus
jüngster Zeit den Skandal um umetikettiertes Gammelfleisch, Pestizide
in Obst und Gemüse und die Kontamination von Obst- und Gemüsesäften
in Kartonverpackungen mit der Druckchemikalie Isopropylthioxanton
(ITX).

"Wenn die Koalition das VIG wie geplant verabschiedet, werden die
Verbraucherinnen und Verbraucher vielfach nicht besser und nicht
schneller über Lebensmittelskandale unterrichtet, als auf Grundlage
der heute schon geltenden Gesetze. Die Informations-blockade geht
weiter", sagte Cornelia Ziehm, die Leiterin Verbraucherschutz und
Recht der DUH. Die Organisation hatte in den vergangenen Monaten
Dutzende in Kartons vertriebene Obst- und Gemüsesäfte untersuchen
lassen und war dabei immer wieder auf hohe ITX-Belastungen gestoßen.
Bisher sind alle Versuche der DUH gescheitert die Behörden oder
Unternehmen zu eigener Aufklärung über das Ausmaß der
Verun-reinigungen zu zwingen. Ziehm beklagte, dass auch das neue VIG
"keinen wirksamen Hebel bietet, das Kartell der Geheimnistuer zu
durchbrechen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen weiter im
Ungewissen bleiben."

"Behörden und Unternehmen haben auch mit dem geplanten VIG alle
Möglichkeiten, über Pestizidrückstände zu schweigen", kritisierte
Corinna Hölzel, die bei Greenpeace die Verbraucherorganisation
EinkaufsNetz (EkN) leitet. Die Kampagne bemüht sich seit fast zehn
Jahren um höhere Qualität von Lebensmitteln und Transparenz für die
Verbraucher. Das EinkaufsNetz kämpft gemeinsam mit ca. 50.000
Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Gift und Gentechnik im Essen.
"Obst und Gemüse sind saftig, knackig und gesund. Doch das ist oft
leider nur die halbe Wahrheit, weil die Verantwortlichen die
Veröffentlichung der Pestizidrückstände in aller Regel nicht fürchten
müssen", so Hölzel. Ein Verbraucherinformationsgesetz, das daran im
Ergebnis nichts ändere, habe seinen Namen nicht verdient.

Die BUND-Referentin für Landnutzung, Reinhild Benning, nannte es
skandalös, dass Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) sein
Gesetz als Konsequenz aus den jüngsten Gammelfleisch-Fällen
präsentiere. "Gerade gegen Lebensmittelskandale hilft das Gesetz in
der eingebrachten Form nichts: Erstens werden Unternehmen gegenüber
ihren Kunden nicht zu Auskünften verpflichtet. Außerdem müssen
Behörden die betroffenen Unternehmen quasi um Erlaubnis bitten, bevor
sie Anfragen von Verbrauchern beantworten. Die Lebensmittelindustrie
kann dabei Daten mehr oder weniger nach Belieben als
Geschäftsgeheimnisse einstufen. Nach Seehofers Willen werden
Informationen damit von denen kontrolliert, die wegen fortgesetzter
Lebensmittelskandale ein VIG in besonderer Weise notwendig machen.
Ein solches Gesetz ist wirkungslos", so Benning.

Die Expertinnen der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen
forderten insbesondere die Unionsfraktion, die die mehrheitlich
harsche Kritik an dem Entwurf anlässlich einer Ende Mai im Bundestag
durchgeführten Expertenanhörung bisher konsequent ignoriert, auf,
sich grundlegenden Verbesserungsvorschlägen nicht länger zu
verschließen. Umfassende Korrekturen an dem geplanten Entwurf seien
notwendig. So müsse den Bürgerinnen und Bürgern ein gesetzlicher
Informationsanspruch auch gegenüber privaten Unternehmen eingeräumt
werden. Der Anwendungsbereich des Gesetzes soll außerdem auf Produkte
jenseits des Lebensmittelbereichs und auf Dienstleistungen
ausgeweitet werden. Außerdem fordern Greenpeace, DUH und BUND eine
restriktive Definition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in dem
Gesetz, um einem Missbrauch der bisher geplanten offenen Regelung
vorzubeugen. Ziehm: "Wird das VIG so wie geplant verabschiedet,
bleibt es ein Informations-Verhinderungsgesetz."

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Für Rückfragen:
Dr. Cornelia Ziehm, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Leiterin
Verbraucherschutz und Recht, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.:
030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail:
ziehm@duh.de

Reinhild Benning, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND),
Referat für Landnutzung, Tel.: 030 27586481, E-Mail:
reinhild.benning@bund.net

Corinna Hölzel, Greenpeace Deutschland, Leiterin EinkaufsNetz, Mobil:
0171 8787833, E-Mail: corinna.hoelzel@greenpeace.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


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