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Berliner Morgenpost: Warum heißt es immer noch Gastarbeiter? - Kommentar

Geschrieben am 25-01-2009

Berlin (ots) - "Multikulti ist keine Lösung", hat
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mal wieder festgestellt. Das
ist eine interessante These, vor allem, wenn man sich das
Spitzenpersonal der CDU anschaut. Der Kanzleramtsminister heißt
Thomas de Maizière, der Generalsekretär Ronald Pofalla und der Mann,
der in Niedersachsen die tägliche Arbeit verrichtet hinter Christian
Wulff, hört auf den schönen deutschen Namen David McAllister. Der
populärste Politiker in Hessen wird Tarek Al-Wazir gerufen, die
unpopulärste Politikerin Andrea Ypsilanti. SPD-Größen tragen
exotische Namen wie Zypries, Wieczorek-Zeul oder Wowereit, was aus
dem Litauischen stammt und "Eichhörnchen" bedeutet. Multikulti ist
deutsche Realität und Deutschland ein Einwanderungsland, so wie fast
jedes Land der Welt. Barack Obama hat übrigens kenianische Wurzeln.
Eine aktuelle Studie des Berlin-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass
Einwanderer aus der Türkei die am wenigsten integrierten Neubürger
sind. Die Erkenntnis ist nicht überraschend, spannend allerdings sind
die Erklärungsmuster.
Bei allen Vorwürfen, die man türkischstämmigen Mitbürgern machen kann
und darf, bleibt festzuhalten, dass Deutschland sich in den
vergangenen 40 Jahren nicht gerade als modernes Gastgeberland
präsentiert hat. Bis heute ist von Gastarbeitern die Rede. Wer aber
zu Gast ist, der geht bald wieder. Um den muss man sich nicht
kümmern. Viele Einwanderer sind aber geblieben. Hinzu kommt, dass
gerade Billiglohnkräfte nicht aus modernen Metropolen wie Istanbul
oder Ankara stammten, sondern aus dem anatolischen Mittelalter direkt
ins gelobte Land fielen. Die kulturellen, auch religiösen Gräben sind
bis heute breit und tief. Das deutsche Bildungssystem hat diese Kluft
nicht geschlossen. Die Folge: Es entstanden eigene Wohnviertel, in
denen türkisch gesprochen wurde.
Deutschland, das war egal, womöglich sogar feindselig. Bis heute
werden deutschstämmige Schulkinder von ihren Eltern gefragt, "wie
viele Türken" denn in der Klasse seien. Dabei sind die meisten von
ihnen längst Deutsche.
Genau hier liegt das Problem: Wer türkische Wurzeln hat, wird immerzu
erinnert, dass er kein vollwertiger Deutscher sei, egal, wie viel
Steuern er zahlt. Der Effekt für die dritte Generation ist fatal.
Denn Abgelehnte reagieren mit Ablehnung: Wenn ihr uns nicht wollt,
wollen wir euch auch nicht. So bekommen schlechte Noten,
Kriminalität, Macker-Gehabe gleichsam einen Widerstands-Habitus,
gelten als stolzer Protest gegen alles Deutsche.
Fakt ist: Nicht nur Arbeiterfamilien, sondern auch die türkische
Elite fühlt sich hierzulande oft unwohl. Immer mehr gut Ausgebildete,
und davon gibt es eine ganze Reihe, verlassen Deutschland und kehren
zurück in die Heimat ihrer Großeltern. Dort zählen sie was, dort
bekommen sie den lebenswichtigsten Treibstoff: Anerkennung.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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