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Berliner Morgenpost: Der Staat kann dem Bürger nicht alles abnehmen - Kommentar

Geschrieben am 02-01-2009

Berlin (ots) - Aus den folgenschweren Erfahrungen erst mit der
wenig wehrhaften Verfassung der Weimarer Republik und dann mit der
nationalsozialistischen Diktatur haben die Mütter und Väter unseres
Grundgesetzes den unveräußerlichen Persönlichkeits- und
Freiheitsrechten höchsten Verfassungsrang eingeräumt. Diese
Grundrechte werden in den ersten 17 Artikeln garantiert; von der
Menschenwürde bis zum Petitionsrecht. Soviel Demokratie wie möglich,
aber keine wehrlose - das ist der Leitgedanke der erfolgreichsten
Verfassung in der deutschen Geschichte. Nur wer die Freiheitsrechte
gröblich missbraucht, verwirkt sie auch.
Die Hürden für die Aberkennung eines Grundrechts oder das Verbot
einer Organisation sind allerdings bewusst hoch angesetzt, weil
Demokratie und Freiheit zugleich bedeuten, auch Unliebsames bis zu
einer gewissen Grenze ertragen zu müssen. Dazu zählen bislang auch
das Agitieren der NPD wie das Missionieren von Scientology in
Deutschland. Wie hoch Hürden im politischen Alltag sind, um
potenziellen Feinden der Demokratie wie einer rechtsradikalen Partei
oder einer die Persönlichkeitsrechte der Menschen beschneidenden
Sekte das Handwerk zu legen, zeigen die bislang gescheiterten oder
gescheuten Verbotsanträge. Schließlich haben auch die Voraussetzungen
für eine Grundrechtsverwirkung Verfassungsrang (Artikel 18). Der
"Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" muss also
sehr schwerwiegend, vor allem eindeutig nachweisbar sein.
Hier liegt denn auch das Problem der immer wieder entfachten
Diskussionen um ein Verbot. Dabei drängt sich zunehmend, weil
folgenlos, der Verdacht auf, mit ihrer verbalen Verbotsrhetorik
wollten die Politiker aller Couleur vor allem Handlungsstärke
demonstrieren. Wohl wissend, dass ihre Chancen zum wirklichen Handeln
eher gering sind, weil unverändert Beweisnot herrscht. Wäre es
anders, hätten die Bundesverfassungsrichter die NPD längst verboten
und wäre wohl auch der Scientology-Spuk in Deutschland lange vorbei.
Bislang wird Scientology zumindest in Berlin aber nur beobachtet.
Bis es hoffentlich irgendwann zu einem Verbot kommt, muss die
Demokratie beide aushalten. Das allerdings fällt bei der NPD mit
deren Anlehnung an Hitlers Führerkult schwerer als bei Scientology.
Gegen die unheilvollen Heilsverkünder kann sich jeder Einzelne
wehren. Ihre Anwerbungs- wie die anschließenden Unterwerfungs- und
Ausbeutungsmethoden sind kein Geheimnis und jedem zugänglich, der
sich informieren will. Zur Freiheit einer freien Gesellschaft gehört
eben auch, sich für alle politischen und geistigen Strömungen
entscheiden zu dürfen, solange diese mit der Verfassung vereinbar
sind. Dabei bleibt der Staat in der Pflicht, vor Gefahren und Risiken
zu warnen. Doch in einer freien Gesellschaft hat seine Fürsorge
Grenzen. Er ist zum Handeln aufgerufen gegen nachweisbar aktive
Feinde der Demokratie. Solange es dafür an Fakten mangelt, ist jeder
einzelne Bürger gefragt. Demokratie heißt auch Selbstverantwortung -
Torheiten bis zu unglückseligen Bekehrungsversuchen eingeschlossen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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