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Berliner Morgenpost: Ein weiterer Rückschlag für Müntefering

Geschrieben am 25-11-2008

Berlin (ots) - Wolfgang Clement war nicht irgendwer in der SPD. Er
war Pressesprecher der Bundespartei, Ministerpräsident im
sozialdemokratischen Stammland Nordrhein-Westfalen, schließlich
Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Gerhard Schröder - und als
solcher erst Spiritus Rector und dann Vollstrecker der
Hartz-IV-Reformen. Wenn so einer sein Parteibuch zurückgibt, dann
müssen im Berliner Willy-Brandt-Haus alle Alarmsirenen schrillen.
Wolfgang Clements Rücktrittsgründe legen denn auch schonungslos die
Führungsschwäche der derzeitigen Parteispitze offen - wie auch den
Mangel an Sinn für wirtschaftspolitische Realitäten.
Keine Frage, besonders solidarisch ist der Westfale mit seiner Partei
nie umgegangen. Anders als seinen politischen Ziehvater Johannes Rau
kümmerte ihn das Seelenleben der Partei wenig. Mehr schon sein
eigenes. Deshalb seine höchst parteiunfreundliche Warnung vor der
Wahl Frau Ypsilantis in Hessen, deretwegen ihn seine heimische
NRW-SPD ausschließen wollte. Das hat Clement tief gekränkt. Und auch
mit der Rüge der Bundesschiedskommission konnte er sich nicht
abfinden. Dass er sich auf diese Verfahren überhaupt eingelassen und
nicht schon vorher die Partei verlassen hat, kommt einer weiteren
Provokation sehr nah. Sie trifft vor allem seinen alten Weggefährten
Franz Müntefering. Der hatte sich als Parteichef in der Kommission
noch für Clement stark und als Brückenbauer verdient gemacht. Für
"Münte" eine politische wie menschliche Enttäuschung zugleich.
Selbst ein Freispruch hätte wohl an Clements Entscheidung nichts
geändert. Denn im Kern geht es ihm um die Sache. Und um die ist es in
der Tat in der SPD schlecht bestellt. Clement mag gehofft haben, dass
mit dem Führungswechsel hin zu Müntefering und Steinmeier seine
Partei zurückfinden werde auf einen wieder verlässlichen Kurs. Nicht
allein Wolfgang Clement ist enttäuscht worden. Zu einem klaren
Trennungsstrich gegenüber der Linkspartei kann sich die SPD nicht
durchringen. Im Gegenteil, in allen Ländern ist sie mittlerweile zu
Bündnissen mit der Partei Lafontaines und Gysis bereit. Weit entfernt
von den Realitäten in einem Industrieland wie Deutschland auch die
von Clement zu Recht beklagte Wirtschafts- und Energiepolitik der
SPD, die meint, ohne Kernenergie auszukommen. Ohne Kursänderung, so
der Ex- Wirtschaftsminister, drohe eine De-Industrialisierung. Dass
der auch noch um die Meinungsfreiheit in seiner alten Partei
fürchtet, ist nach seinen und den Erfahrungen der vier Gewissenstäter
in Hessen keine Überraschung mehr.
Die SPD hat einen Unbequemen, aber auch einen ihrer Besten verloren.
Das ist bitter. Noch bitterer angesichts der bevorstehenden
Wahlkämpfe: die bürgerlichen Parteien haben einen neuen Zeugen der
Anklage.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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