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Betrugsfilter: Untätigkeit der Minister Tiefensee und Gabriel erfüllt Straftatbestand der "Haushaltsuntreue"

Geschrieben am 24-11-2008

Berlin (ots) - Bilanz nach einem Jahr "Kulanzregelung": Rund
40.000 geschädigte Autohalter noch immer ohne Hilfe - Weniger als
fünf Prozent der unwirksamen Dieselpartikelfilter der Firmen GAT,
Bosal und Tenneco ausgetauscht - Fortbestand der KBA-Zulassungen ist
laut Gutachten der Deutschen Umwelthilfe rechtswidrig und kostet über
13 Millionen Euro an Steuergeldern - DUH will juristisch gegen
Verantwortliche vorgehen

24. November 2008: Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD)
muss die amtliche Betriebserlaubnis für unwirksame
Dieselpartikelfilter der Firmen GAT, Tenneco und Bosal "aus
zwingenden rechtlichen und sachlichen Gründen" auch rückwirkend
zurücknehmen. Das ist das zentrale Ergebnis eines von der Deutschen
Umwelthilfe e.V. (DUH) in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens.
Juristisch ist Tiefensee zum Handeln verpflichtet, weil die
andauernde Praxis, etwa 40.000 Halter von Diesel-Pkw trotz nicht
ordnungsgemäß funktionierender Filter steuerlich zu entlasten, gegen
Recht und Gesetz verstößt. In der Sache muss die Konsequenz aus dem
Scheitern der vor einem Jahr von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel
(SPD) ausgerufenen so genannten "Kulanzregelung" für einen
kostenlosen Austausch der Betrugsfilter gezogen werden. "Binnen zwölf
Monaten wurde nicht einmal jeder Zwanzigste der unwirksamen
Partikelfilter ausgetauscht", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer
Jürgen Resch.

Am 28. November 2007 hatte Gabriel versucht, das Tohuwabohu um den
von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) aufgedeckten Einbau
zehntausender unwirksamer Dieselpartikelfilter durch eine freiwillige
Vereinbarung mit der Industrie ("Kulanzregelung") kurzfristig
aufzulösen. Den ca. 45.000 betroffenen Autohaltern wurde seinerzeit
zugesagt, der Austausch gegen neue Filter solle "möglichst sofort
erfolgen". Da wo für einzelne Fahrzeugtypen keine geeigneten Filter
verfügbar waren, hätten die Hersteller zugesagt, zeitnah im Jahr 2008
entsprechende Systeme bereitzustellen.

In einem vom Berliner Anwalt Dr. Remo Klinger im Auftrag der DUH
erstellten Rechtsgutachten ("Rechtliche Konsequenzen der Verwendung
unzureichend wirksamer Partikelminderungssysteme" - Download unter
www.duh.de) wird nun im Einzelnen dargelegt, warum die fortdauernde
Weigerung des dem Bundesverkehrsminister unterstellten
Kraftfahrtbundesamts (KBA), die Betriebserlaubnisse der nicht
ordnungsgemäß funktionierenden Filter rückwirkend aufzuheben gegen
geltendes Recht verstößt und sogar strafrechtlich relevant ist.

"Wir erleben im Betrugsfilterskandal seit nunmehr zwei Jahren ein
eklatantes Staatsversagen", sagte Resch. Zunächst seien seit November
2006 negative Prüfergebnisse der entsprechenden Filtersysteme vom
Bundesumweltministerium der Öffentlichkeit vorenthalten worden, bis
die DUH die Veröffentlichung ein Jahr später im November 2007
gerichtlich durchsetzte. Doch statt in der Folge den über 40.000
betroffenen Autohaltern zu helfen, handelten Gabriel und Tiefensee
die erkennbar untaugliche Kulanzregelung aus und ermöglichten so
ausgerechnet der Firma, die sich die amtliche Zulassung mit der
Fälschung von Prüfergebnissen erschlichen hatte, ein inzwischen ein
volles Jahr andauerndes Katz und Maus Spiel mit ihren geprellten
Kunden. Resch bezog sich insbesondere auf gefälschte Prüfberichte der
Firma GAT Katalysatoren GmbH, auf deren Grundlage das KBA
ursprünglich die Allgemeine Betriebserlaubnis für die Mehrzahl der
später eingebauten mangelhaften Filter erteilt hatte.

Endgültig zu einer "Staatsaffäre" wurde die Angelegenheit nach
Überzeugung der DUH, weil die Bundesminister Tiefensee und Gabriel
über alle Details unterrichtet waren und selbst dann nicht aktiv
wurden, als klar war, dass die Kulanzregelung von den
Betrugsfilterherstellern "vom ersten Tag ihres Bestehens an"
hintertrieben wurde. So verspricht GAT seit einem Jahr, binnen
weniger Wochen neu entwickelte und funktionstüchtige Filter
ausliefern zu wollen. Doch auch ein Jahr nach Unterzeichnung der
"Kulanzregelung" ist dieser angebliche neue Partikelfilter nicht
lieferbar. Laut Auskunft des KBA wurde bis heute seitens GAT noch
nicht einmal ein Antrag auf Zulassung gestellt.

Nach Recherchen der DUH wurden bis heute kaum fünf Prozent der
mangelhaften Dieselpartikelfilter ausgetauscht. Etwa 40.000 Pkw
fahren seit über einem Jahr mit funktionsuntüchtigen Partikelfiltern
herum, werden dafür vom Staat mit 330 EUR Steuererleichterung
alimentiert und verschärfen das Feinstaubproblem vor allem in den
Ballungszentren. Schuld an diesem Skandal sind allerdings nach
Überzeugung der DUH nicht die betroffenen Autohalter, von denen
tausende vergeblich versucht haben, in ihren Werkstätten den in der
Kulanzregelung versprochenen kostenfreien Austausch vornehmen zu
lassen. Die Hauptschuld trage vielmehr der Betrugsfilterhersteller
GAT, der Autohalter und Werkstätten mit immer neuen Nebelkerzen
versuche, vom Filtertausch abzuhalten. Schuld seien aber auch die
verantwortlichen Bundesminister, die "die Machenschaften der Firma
GAT bis an die Grenze zur Komplizenschaft geschehen lassen", sagte
Resch. So habe GAT nach Verkündung des Fortbestandes von
Steuerbegünstigung und Plakette für ihre Betrugssysteme die
Begleichung der Kosten für den Filtertausch faktisch eingestellt.
Seit März 2008 verweigere zudem Tiefensee die Veröffentlichung neuer
Zahlen zum gescheiterten Filtertausch. Die DUH klagt derzeit auf
Herausgabe aktueller Zulassungszahlen vor dem Verwaltungsgericht
Schleswig.

Das DUH-Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass das KBA
verpflichtet sei, die rechtswidrig erlangten Allgemeinen
Betriebserlaubnisse rückwirkend zurückzunehmen, weil die
Voraussetzungen für die Erteilung in Wirklichkeit nie vorgelegen
hätten. Bisher habe das Amt, das Bundesverkehrsminister Tiefensee
unterstellt ist, "offenkundig rechtswidrige Zustände" hingenommen.
Weil rechtswidrig Steuerentlastungen in Höhe von über 13 Millionen
Euro gewährt worden seien, erfülle der Verzicht auf die Rückforderung
darüber hinaus sogar den Straftatbestand der so genannten
"Haushaltsuntreue". Nicht zuletzt führe die staatliche Untätigkeit
spätestens zum 1. Januar 2010 dazu, dass zehntausende von Fahrzeugen
mit hohem Feinstaubausstoß in Umweltzonen (z. B. in Berlin und
Hannover) einfahren könnten, die dies eigentlich nicht mehr dürften.

"Die zuständigen Ministerien und das Kraftfahrt-Bundesamt handeln
offensichtlich rechtswidrig, wenn sie die Betriebserlaubnisse für die
unwirksamen Filter nicht zurücknehmen", resümierte der Autor des
Gutachtens Dr. Remo Klinger die Ergebnisse. Mit ihrer Untätigkeit
verstoßen die Verantwortlichen laut Klinger nicht nur gegen
objektives Recht, sondern schädigen zudem den Staatshaushalt und
gefährden die Gesundheit und das Leben der Bürger, da Innenstädte
absehbar weiterhin von solchen Autos befahren würden, die dazu wegen
ihres hohen Feinstaubausstoßes ab 2010 kein Recht mehr haben. Bei
weiterem Nichthandeln der Behörden, könnten folglich Bürger die
Rücknahme der Betriebserlaubnisse vor Gericht erstreiten. Klinger "Es
gibt nicht nur ein Recht auf saubere Luft. Es gibt auch ein Recht auf
eine rechtmäßig handelnde Verwaltung."

Die Deutsche Umwelthilfe fordert nun die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages dazu auf, das offensichtlich rechtswidrige
Vorgehen von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zu korrigieren und die
Bundesregierung in der Konsequenz aus der gescheiterten
Kulanzregelung dazu zu bewegen, nach geltendem Recht die
Betriebserlaubnisse der unwirksamen Filtersysteme rückwirkend
zurückzunehmen. "Alles andere wäre rechtswidrig und würde juristisch
den Straftatbestand der Haushaltsuntreue erfüllen. Die DUH wird im
Fall fortgesetzten Nichtstuns gegen diesen Politik- und Umweltskandal
erneut die Gerichte bemühen", kündigte Resch an.

Die DUH befürchtet über das aktuelle Problem hinaus Folgewirkungen
für vergleichbar gelagerte Fälle in der Zukunft und verweist dabei
auf ein Unternehmen im bayerischen Aicha vorm Wald, das mit Duldung
der bayerischen Staatsregierung unwirksame Oxidationskatalysatoren
vertreibe. "Die Duldung rechtswidriger Zustände bei der
Abgasreinigung von Fahrzeugen kann zum Präzedenzfall werden und
gefährdet alle ehrlichen Betriebe", warnte Resch. Denn wenn in
Zukunft andere Autoteile-Hersteller ebenfalls mit minderwirksamen
Abgasreinigungssystemen überführt würden, würden diese sich auf die
"staatlich akzeptierte Kulanzregelung im Fall GAT berufen und gleiche
Behandlung für vergleichbare Vergehen verlangen".
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Die Chronologie des Partikelfilterskandals sowie das Rechtsgutachten
können als PdF-Datei unter www.duh.de heruntergeladen werden.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171 5660577,
Fax: 030 2400867-19, Email: rosenkranz@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400867-19,
Email: resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Anwaltskanzlei Geulen&Klinger, Schaperstraße 15,
10719 Berlin, Mobil: 0171 2435458,Tel.: 030 884728-0,
Email: klinger@geulen.com


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