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Südwest Presse: Kommentar zur CSU

Geschrieben am 26-10-2008

Ulm (ots) - Gabriele Pauli hätte ihre helle Freude, wäre sie noch
dabei. Soviel Zerknirschtheit, Demut, Ehrlichkeit, offene Worte von
Delegierten, die offensichtlich keiner Parteitagsregie unterworfen
waren - es wurde am Samstag in der CSU vieles von dem umgesetzt, was
einst durchaus auch intern akzeptierter Aufhänger der Kritik der
Fürther Rebellin war, ehe sie sich mitsamt ihrem Anliegen mit ihrer
exzentrischen Selbstdarstellung ins Abseits manövrierte.
Horst Seehofer ist klug und wendig genug, zu erkennen, dass die CSU
zwar wieder eine erkennbare Handschrift braucht und in der
Außendarstellung an ihrem weich gewordenen Profil arbeiten muss, dass
aber die Basis keineswegs jetzt auf den nächsten starken Mann wartet,
der ihr im Stil eines Strauß oder Stoibers die Richtung weist. Eher
als Seelendoktor denn als Zampano ist er einstweilen gefragt.
Es geht um neuen Mut und Motivation in der ganzen Partei, es geht
darum, das schwer angeschlagene Selbstbewusstsein wieder
aufzurichten. Die über den Putsch gegen Stoiber und den jetzt
erzwungenen Rücktritt des ihm folgenden Führungstandems Beckstein und
Huber tief zerstrittenen Parteibezirke müssen auf Gemeinsamkeit
eingeschworen werden, Landtags- und Bundestagsabgeordnete überzeugt
werden, sich nicht weiter als konkurrierende Lager zu betrachten.
"Der Mensch ist das Maß der Dinge", "Politik ist Dienst am Menschen"
- Seehofer demonstrierte mit dem Credo seiner Antrittsrede als neuer
Herr im christsozialen Haus, dass er besser begriffen hat, als andere
in der Münchner Parteispitze, was zu den Wahlschlappen dieses Jahres
geführt hat. Es wäre unredlich, sie vorwiegend den braven
Parteisoldaten Huber und Beckstein in die Schuhe zu schieben,
wenngleich ihnen die Ausstrahlung eines Stoiber, Waigel oder gar
Strauß gänzlich abgeht.
Doch auch abgestraft wurde die Arroganz der Macht, die spätestens mit
der 2003 eroberten Zweidrittelmehrheit im Landtag unerträglich wurde
für die Opposition im Landtag wie für die Menschen im Land.
Ob alte Zöpfe abgeschnitten wurden, wie der Bayerische Senat oder das
Oberste Landesgericht, ob der Rotstift angesetzt wurde, um den
Haushalt zu sanieren, ob die Schulzeit am Gymnasium verkürzt wurde
oder das Rauchverbot in Kneipen und Bierzelten verordnet - es gab
gute Gründe für diese Reformen. Doch die CSU hat sich nicht bemüht,
dafür zu werben, sondern sie dem Land aufgedrückt wie weiland
Feudalherrscher Zettel aus der Kutsche warfen und so ihren Untertanen
Weisungen erteilten.
Seehofer will in diesem Stil nicht weitermachen. "Leben und leben
lassen" - diese vor allem mit dem ausnahmslosen Rauchverbot
missachtete bayerische Wesensart war ihm so wichtig, dass sie in die
Präambel des Koalitionsvertrages mit der FDP Eingang gefunden hat.
Sie wird im übrigen auch im Umgang mit der christdemokratischen
Schwesterpartei im Bund Anwendung finden, wenngleich Seehofer sich im
Bemühen, nicht als jedermanns Liebling aufzutreten, derzeit kräftig
an ihr reibt. Doch die CDU mit Angela Merkel an der Spitze kann mit
den Drohungen in Sachen Erbschaftssteuer und Pendlerpauschale leben.
Wer wie das Land Bayern zur Sanierung seiner Landesbank auf Geld aus
Berlin angewiesen ist, wer gedeihlichen Zusammenhalt in der Union
braucht, um im nächsten Jahr Bundestags- und Europamandate zu
verteidigen, der ist auf Kooperation, nicht auf Konfrontation
angewiesen.
Allerdings wird ein Seehofer, wenngleich einstweilen vor allem mit
den Aufräumarbeiten in München beschäftigt, als Merkels
Verhandlungspartner von anderem Kaliber sein als Erwin Huber. Es wird
wieder spannender in der Union.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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