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Börsen-Zeitung: Implosion Kommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

Geschrieben am 24-10-2008

Frankfurt (ots) - Mit Entsetzen verfolgten die Aktienmarkthändler
am 24. Oktober das Geschehen an der Börse. Massive, panikartige
Verkäufe lösten einen Kurssturz unvorstellbaren Ausmaßes aus, der die
Marktteilnehmer bis ins Mark erschreckte. Wer glaubt, dass hier die
Marktturbulenzen vom Freitag geschildert werden, irrt. Die Rede ist
vom 24. Oktober 1929, vom großen Crash, der auch als "Schwarzer
Donnerstag" in die Annalen eingegangen ist. Zum Glück ist es nur ein
Zufall, dass sich diese "Urkatastrophe" der Börsengeschichte am
Wochenschluss, als die Notierungen weltweit einbrachen und der Dax
bis zu 11% einbüßte, zum 79. Mal jährte. Denn an jenen Kurseinbruch
schloss sich die verheerende "Große Depression" an, die erst im Jahr
1932 enden sollte.

Auch wenn sich Geschichte nicht 1:1 wiederholt, sind gewisse,
unheimliche Parallelen der aktuellen zur damaligen Situation
unübersehbar. An den Finanzmärkten greift die Befürchtung um sich,
dass die Weltwirtschaft auf eine sehr schwere Rezession zugeht, die
lange anhalten wird. Es kann keineswegs behauptet werden, dass es
dafür keine Anhaltspunkte gäbe. Weltweit zeigen die Konjunktur daten
steil bergab. Verstärkt werden die Ängste derzeit durch die
Quartalsberichtssaison, die zeigt, wie die wirtschaftliche
Abschwächung bei den Unternehmen ankommt, und die Investoren mit
einer Flut von Gewinnwarnungen verschreckt. Dramatischer wird die
Lage dadurch, dass nun auch zunehmend Schwellenländer in Bedrängnis
geraten.
Das Kernproblem ist, dass derzeit noch keine positiven Wirkungen der
globalen Rettungsmaßnahmen für die Finanz industrie erkennbar sind.
Nach wie vor steht der Geldhandel still. Die Banken horten Geld, was
der Realwirtschaft die dringend notwendigen Kredite entzieht bzw. sie
empfindlich verteuert. Das wiederum verstärkt die Nervosität der
Finanzmärkte hinsichtlich der Folgen von Kredit- und Bankenkrise für
die Weltwirtschaft zusätzlich. Denn wenn dieser Zustand nicht endet,
werden auch in vielen Unternehmen außerhalb der Finanzbranche bald
die Räder stillstehen. Das wiederum würde den Abschwung noch mehr
verstärken.

Sehr anschaulich für dieses Problem ist der Bericht des Schweizer
Energietechnik- und Automationskonzerns ABB. Das Auftragswachstum des
Unternehmens ist im dritten Quartal aufgrund des Wegfalls von
Großaufträgen eingebrochen, weil Kunden geplante Investitionen
aufgeschoben haben. Grund für die rückläufigen großen Projektaufträge
ist die wesentlich schwieriger gewordene Kredit finanzierung. Jedoch
leiden nicht nur Großunternehmen aufgrund der Unsicherheit in
Verbindung mit der Kreditverknappung unter starken Nachfrageeinbußen.
Das Prob lem zieht sich durch die gesamte Wirtschaft bis hin zu
kleinen Handwerksbetrieben. Aus Verängstigung werden auch kleinere
Anschaffungen und Reparaturen verschoben.
Die heftigen Kurseinbußen an den Aktienmärkten sind jedoch nur zum
Teil fundamental zu erklären. Hinzu kommen "technische" Faktoren.
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um Zwangsverkäufe. In großem
Umfang werden z.B. derzeit sogenannte Carry Trades aufgelöst. Das hat
die japanische Währung gegenüber dem Dollar auf den höchsten Stand
seit Mitte der neunziger Jahre getrieben. Marktteilnehmer, die sich
zu niedrigen Zinsen in Yen verschuldet haben, um die Mittel in
US-Anlagen bzw. riskanteren Assets wie Aktien und Rohstoffen
anzulegen, geraten durch die Befestigung des Yen unter Druck, ihre
Anlagen zu verkaufen und die Kredite zu tilgen. Die Folge sind
undifferenzierte Verkäufe. Auch die Aktien von hervorragend
aufgestellten und finanziell bestens ausgestatteten Unternehmen, die
hohe Dividendenrenditen aufweisen, geraten so unter die Räder.

Die sehr niedrigen Bewertungen, die allerdings noch auf deutlich
nach unten zu revidierenden Gewinnprognosen beruhen, werden in diesem
Umfeld kaum die Implosion des Aktienmarktes stoppen können. Der erste
Impuls zu einer Besserung oder zumindest zu einer Stabilisierung muss
von der Bankenbranche kommen. Es wird dringend Zeit, dass der
Geldkreislauf wieder in Gang kommt.

(Börsen-Zeitung, 25.10.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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