(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Bahnchef Mehdorn zieht die Notbremse - Kommentar

Geschrieben am 25-10-2008

Berlin (ots) - Sind sie denn nun sicher, die ICE-Züge der
Deutschen Bahn, oder nicht - oder nur ein bisschen? Zurzeit kann
niemand auf diese Frage eine klare Antwort geben. Niemand weiß, wann
der nächste Riss an einer der Achsen entdeckt wird und was geschieht,
wenn ein Radsatzlager bei Tempo 300 bricht. Seit dem 9. Juli dieses
Jahres, als ein ICE 3 im Kölner Hauptbahnhof nach einem Achsbruch
entgleiste, wird nach den Ursachen des Unfalls geforscht, aber
Ergebnisse gibt es noch immer nicht. Hilf- und fast schon wahllos
ordnete das Eisenbahnbundesamt (EBA) immer kürzere Prüfintervalle für
die Züge an. Die Bahn dagegen ließ vorübergehend das Wasser aus den
Bordtoiletten mancher Züge ab, um so die Achslast zu mindern. So
sieht Krisenmanagement im deutschen Schienenverkehr aus - es kann
einem tatsächlich Angst und Bange werden.
Doch nun hat Bahnchef Hartmut Mehdorn die Notbremse gezogen. Er
schickt einen Großteil seiner ICE-Flotte zur außerplanmäßigen
Inspektion. Die Folgen müssen die Fahrgäste ausbaden, weil Züge, die
im Depot stehen, im Regelverkehr eben fehlen. Wieder einmal werden
Zigtausende die Bahn verflucht haben, aber Hand aufs Herz: Hatte
Mehdorn eine Wahl? Soll er Züge durchs Land fahren lassen, die
theoretisch ein Sicherheitsrisiko sein könnten? Natürlich nicht,
diesmal hat der Bahnchef richtig entschieden. Man fragt sich
allerdings, warum er sich damit so lange Zeit gelassen hat und warum
es für die Fahrgäste keine Vorwarnung gab. So konnten weniger
Bahnkunden auf die Engpässe reagieren und mancherorts war ein
Tohuwabohu, das nicht hätte sein müssen, perfekt.
Aber vielleicht hat Mehdorn genau das bezweckt, vielleicht wollte er
den Eklat, damit alle Beteiligten im Land, die für die Sicherheit der
ICE-Züge verantwortlich sind, endlich aufwachen. Die sind nämlich
seit dem Sommer vor allem damit beschäftigt, sich gegenseitig die
Verantwortung zuzuschieben oder die Angelegenheit zu Tode zu prüfen,
ganz so, als sei es völlig wurst, ob und wie die Züge derzeit durch
das Land brausen. Die Hersteller Siemens, Bombardier und Alstom
weisen jede Verantwortung von sich und verweisen auf das EBA, nach
dessen Norm alles hergestellt sei. Das EBA wiederum verweist auf die
Staatsanwaltschaft Köln, die seit dem Unfall im Juli die Ermittlungen
zur Ursache leitet und die ihrerseits auf die Bundesanstalt für
Materialforschung und -prüfung, das die entscheidenden
Erkenntnisse liefern soll. Wer da durchblicken will, kommt sich vor,
wie der Buchbinder Wanninger. So lässt sich das ICE-Problem nicht
bewältigen. Allen Beteiligten muss klar sein: Züge alle Nase lang zum
Krisen-TÜV zu schicken, ist keine Lösung. Entweder die Sicherheit der
Achsen wird umgehend und zweifelsfrei nachgewiesen, oder die Bauteile
müssen ersetzt werden - der Streit um die Kosten ist programmiert.
Aber Bahnfahren in Deutschland muss hundertprozentig sicher sein -
und die Kunden müssen auch dieses Gefühl haben. Sonst steigen sie um.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

166391

weitere Artikel:
  • BDI-Präsident Thumann zur Erbschaftsteuerreform: "Familienunternehmer brauchen jetzt Sicherheit" - Industrie unterstützt Seehofer - Unternehmensnachfolge deutlich erleichtern Berlin (ots) - "Der konsequente Kurs der CSU bei der Reform der Erbschaftsteuer findet die Unterstützung der Wirtschaft", kommentierte BDI-Präsident Jürgen R. Thumann die Aussagen des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag. "Es ist zwingend notwendig, dass die vorgesehene Behaltefrist von 15 Jahren auf deutlich unter 10 Jahre verkürzt wird, so wie es auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht", sagte Thumann. Der BDI setzt sich für erhebliche Nachbesserungen der Reform ein. Er ermuntert die Große Koalition mehr...

  • Der Tagesspiegel: Ifo-Chef Sinn: 1929 waren die Juden die Sündenböcke, heute sind es die Manager Berlin (ots) - Im Streit um die Schuld der Manager an der Finanzkrise hat der Münchener Ökonom Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, die Wirtschaftsführer in Schutz genommen und die Kritik an ihnen mit dem Antisemitismus der dreißiger Jahre verglichen. "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken", sagte er dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). In der Weltwirtschaftskrise von 1929 "hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager". Niemand habe damals an einen "anonymen Systemfehler" glauben mehr...

  • Kölner Stadt-Anzeiger: Innenausschuss-Vorsitzender Edathy kritisiert ifo-Chef Sinn scharf Köln (ots) - Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), hat den Präsidenten des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, wegen seiner Gleichstellung zwischen Antisemitismus und Kritik an Managern scharf kritisiert. "Angesichts solcher Äußerungen hat man den Eindruck, Herr Sinn ist nicht bei Sinnen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). "Antisemitische Äußerungen mit berechtigter Kritik an manchen Bankenvertretern zu verwechseln, ist ein starkes Stück. Bankmanager, die für Fehlleistungen verantwortlich mehr...

  • WAZ: Finanzminister soll standhalten - Kommentar von Daniel Freudenreich Essen (ots) - Peer Steinbrück tut nur gut daran, wenn er die öffentlichen Mittel derzeit mit Zähnen und Klauen gegen vorschnelle Forderungen aus Wirtschaft und Politik verteidigt. Die Gefahr, dass ein breit angelegtes Konjunkturprogramm nur als kurzes Strohfeuer aufflackert, ist riesengroß. Im Bundeshaushalt würde ein weiteres tiefes Milliardenloch klaffen und der ausgeglichene Haushalt in weite Ferne rücken. Reizvoll klingen die Rufe nach Steuererleichterungen. Diese jedoch wirken nur dann als Treibstoff für den Konjunkturmotor, wenn mehr...

  • WAZ: Finanzkrise - Warum sich Banken retten lassen müssen - Leitartikel von Thomas Wels Essen (ots) - Eine gute Woche ist es her, da haben Bundesregierung und Bundestag in einem beispiellosen Kraftakt ein Hochgeschwindigkeits-Rettungspaket für die deutsche Finanzbranche geschnürt. Aber bis auf einige Landesbanken will sich kein Geldhaus retten lassen. Das ist brandgefährlich - und erfordert einen neuerlichen Eingriff des Bundesfinanzministers. Eines der wesentlichen Ziele der Staatshilfe ist die Aufrechterhaltung der Kreditvergabe der Banken an Industrie und Mittelstand. Deshalb muss der Steuerzahler ran, die Banken mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht