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Börsen-Zeitung: Die Funding-Krise Börsenkommentar "Marktplatz", von Martin Hampel.

Geschrieben am 03-10-2008

Frankfurt (ots) - Rekorde, wohin man blickt. Die Krise am
Geldmarkt hat sich seit dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers noch
einmal deutlich verschärft. In der abgelaufenen Woche haben die Sätze
in den längeren Fristen wahrhaft fantastische Höhen erreicht. Der
Drei-Monats-Euribor bei 5,3%, der Dollar-Libor für drei Monate bei
4,2% - Zahlen, die Geldhändler das Fürchten lehren sollten.

Tun sie aber nur am Rande, denn der Markt ist trocken. Die
gefixten Sätze wie Libor und Euribor, die von Banken an die Verbände
gemeldet werden, haben mit der Realität am Markt nichts mehr zu tun.
Da wird in den langen Fristen quasi gar nicht mehr gehandelt. Deshalb
hat sich der Terminus von den "gesprochenen Sätzen" für Libor und
Euribor durchgesetzt, während die gehandelten Sätze fast nicht
existent sind.

Die Bankenkrise hat sich in den vergangenen Wochen fundamental
gewandelt: Die jüngsten Schieflagen hängen weniger mit strukturierten
Produkten und giftigen Assets zusammen als mit einem Funding-Problem
- die Banken konnten sich im Interbankenhandel schlicht nicht mehr
refinanzieren. Das liegt indes nicht daran, dass kein Geld im Markt
ist: Die Geschäftsbanken haben in der abgelaufenen Woche Rekordsummen
bei der EZB geparkt, statt das Geld für höhere Zinsen an eine
konkurrierende Bank weiterzuverleihen. Was fehlt, ist weder Angebot
noch Nachfrage, was fehlt, ist Vertrauen. Und Vertrauen entsteht aus
Sicherheit.

Doch die kann die EZB den Banken nur bedingt geben. Die Forderung,
die Tendergeschäfte aus Laufzeiten bis zu einem Jahr auszuweiten,
könnte die Sätze am langen Ende zwar drücken. Gleichwohl ist damit
nicht gesichert, dass der Umverteilungsmechanismus in Gang kommt und
die Banken das Geld weiterverleihen, statt es zu horten.
Vergleichsweise gut stehen noch Banken mit einem starken
Einlagengeschäft da, die sich refinanzieren können, indem sie den
Retailkunden mit hohen Tagesgeldsätzen das Ersparte entlocken. Doch
auch hier droht Ungemach; seit der Krise von Hypo Real Estate machen
sich die Sparer Sorgen um die Qualität der Einlagensicherung. In den
Sätzen am Interbankenmarkt, so heißt es, ist die Möglichkeit eines
BankRuns zumindest teilweise eingepreist.

So gesehen ist der Ruf nach staatlichen Garantien für Banken
nachvollziehbar. Zwei Möglichkeiten werden aktuell am Markt
diskutiert. Erstens: Der Staat garantiert nach irischem Vorbild für
die Banken. Damit wissen die Geschäftsbanken, dass die Gegenpartei im
Interbankenhandel nicht umkippen wird. Das kurbelt das Funding an.
Zweitens: Die Einlagensicherung wird drastisch nach oben gefahren.
Das bringt den Banken mit Einlagengeschäft ängstliche Kunden zurück
und stellt das Funding auf eine breitere Basis. In der aktuellen
Krise am Geldmarkt würden beide Lösungswege Linderung bringen -
wichtig ist nur, dass schnell gehandelt wird.

Das mangelnde Vertrauen ist auch in anderen Marktsegmenten zu
spüren. Der Primärmarkt für Bonds von Unternehmen oder Financials ist
tot. Seit Anfang September wurde laut Marktteilnehmern kein
vernünftiger Deal mehr über die Bühne gebracht. Selbst sichere
Adressen wie beispielsweise eine KfW bekommen das an niedrigeren
Orderbüchern zu spüren. Wer Liquidität hat, behält sie auch.

Ein ganz anderes Ereignis wird in der neuen Woche aber noch
verfolgt werden. Am Markt für Kreditderivate finden die Abwicklungen
der beiden prominentesten Kreditereignisse statt, seitdem der Markt
für Kreditderivate Ende der neunziger Jahre aus der Taufe gehoben
wurde. Die ISDA (International Swaps and Derivatives Association) -
der Branchenverband für die im außerbörslichen Derivatehandel tätigen
Institute - wird die Auktionen zur Ermittlung der Recovery Rates
(Liquidationserlöse) der Verbindlichkeiten von Fannie Mae, Freddie
Mac und Lehman Brothers abhalten. Mit den in den Auktionen
ermittelten Recoveries werden die Ausgleichszahlungen für die Inhaber
von entsprechenden Positionen in den Absicherungskontrakten (Credit
Default Swaps) errechnet. Experten gehen davon aus, dass die
Auktionen problemlos über die Bühne gehen werden. Es hat genügend
Praxistests in Form von entsprechenden Defaults und damit Auktionen
in der Vergangenheit gegeben. Das System gilt als stabil. Alles
andere wäre eine faustdicke Überraschung.

(Börsen-Zeitung, 4.10.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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