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Ein Jahr Rußfilterskandal: Deutsche Umwelthilfe für "Neustart bei der Feinstaubbekämpfung

Geschrieben am 27-08-2008

Berlin (ots) -

- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und ist unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Zwölf Monate nach Aufdeckung des Skandals um mangelhafte
Dieselfilter steht die Politik vor einem Scherbenhaufen in der
Luftreinhaltepolitik - Weniger als zehn Prozent der Betrugsfilter
sind ausgetauscht, die Pkw-Nachrüstung ist zum Erliegen gekommen, bei
Nutzfahrzeugen findet sie gar nicht erst statt - Ignoranz der Politik
erlebt im Streit um die Lkw-Maut einen neuen Höhepunkt - Nach
Schadstoffklassen gestaffelte Maut muss zum 1. September 2009 kommen
- DUH fordert "konzertierte Aktion von Bundes- und Landespolitik,
Wirtschaft und Verbänden" zum Schutz vor Feinstaub

27. August 2008: Ein Jahr, nachdem die Deutsche Umwelthilfe e. V.
(DUH) erstmals über den Einbau funktionsuntüchtiger Nachrüstfilter in
Diesel-Pkw berichtete, kommt die Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation zu einer ernüchternden Zwischenbilanz
der Politik von Bund und Ländern bei der Feinstaubbekämpfung: "Alle
Zeichen stehen auf Ruß - und die Politik gibt den Vogel Strauß",
erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Während andere
Staaten konsequent gegen das Dieselrußproblem vorgehen und die
Gesundheitsrisiken ihrer Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen, kommt
die Filternachrüstung in Deutschland nicht in Gang".

Trotz der Bereitstellung von 900 Millionen Euro zweckgebundener
Etateinnahmen werbe derzeit kein Landes- oder Bundespolitiker
öffentlich für die Nachrüstung von Pkw mit funktionstüchtigen
Dieselpartikelfiltern. Für leichte Nutzfahrzeuge gebe es keinerlei
Anreiz zum Einbau dieser Abgasreinigungssysteme und bei schweren Lkw
bekämpfen wichtige Bundesländer den Beschluss der Bundesregierung, ab
dem 1. September 2009 schmutzige Dieselstinker bei der Lkw-Maut
stärker heranzuziehen als vergleichsweise saubere Fahrzeuge.

Das nach Überzeugung des Sachverständigenrats für Umweltfragen
(SRU) der Bundesregierung und auch der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) schwerwiegendste Luftreinhalteproblem in Deutschland und der EU
werde von der Politik nach jahrelangen öffentlichen Debatten erneut
ignoriert. Daran habe auch das von der DUH durch alle Instanzen
erstrittene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg
bisher nicht viel geändert, das den Bürgerinnen und Bürgern ein
individuell einklagbares Recht auf saubere Luft zugesprochen hatte.
"Mit dem EuGH-Spruch ist die Zeit des Zuwartens und der billigen
Ausflüchte aber endgültig vorbei", sagte Resch. Bundes- und
Landespolitik seien unmissverständlich aufgerufen, den Gemeinden
jetzt bei der Feinstaubmisere effektiv zu helfen.

Resch berichtete, dass ein Jahr, nachdem die DUH erstmals
öffentlich über mangelhafte Filtersysteme berichtet hatte, weniger
als 10 Prozent der Mangelfilter der Unternehmen GAT, Bosal und
Tenneco/Walker gegen funktionstüchtige Systeme ausgetauscht worden
seien. Damit sei die so genannte Kulanzregelung von Umweltminister
Gabriel und Verkehrsminister Tiefensee, wie von der DUH schon nach
ihrer Verkündung im November 2007 vorausgesagt, grandios gescheitert.
"Es war von Anfang an ein ebenso untauglicher wie unverantwortlicher
Weg der Politik, auf die Rücknahme der Allgemeinen
Betriebserlaubnisse (ABE) zu verzichten und damit den betroffenen
Autohaltern einen klaren Rechtsanspruch auf den Filtertausch zu
verweigern." Tatsächlich habe die Verzögerungstaktik nur den
Herstellern GAT, Tenneco/Walker und Bosal genutzt, die so Monat für
Monat die Mär von der angeblich fast marktreifen Neuentwicklung
funktionstüchtiger Filter verbreiten konnte - und den großen
Werkstattketten A.T.U. und Pit Stop, die sich entgegen der Rechtslage
erst nach massivem Druck der DUH bereit fanden, den versprochenen
kostenfreien Austausch gegen funktionstüchtige Nachrüstfilter anderer
Hersteller tatsächlich vorzunehmen.

Selbst seit das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Mai in einem
Schreiben an alle betroffenen Autohalter konkret mit dem ABE-Entzug
drohte, um so die Umrüstung in Gang zu bringen, geschah fast nichts.
Zu viele Beteiligte versuchen, das Problem auszusitzen - zu Lasten
der wirklich Betroffenen in den Hochbelastungszonen vor allem der
Metropolen.

"Verstörend" sei zudem die seit nunmehr über zwei Jahren
betriebene Geheimhaltung bestimmter Fakten zur Betrugsfiltermisere
durch die zuständigen Regierungsstellen. Alle wesentlichen Unterlagen
musste sich die DUH über Gerichtsbeschlüsse oder die Androhung und
Einleitung rechtlicher Schritte erstreiten. Im November 2007 stellte
das Verwaltungsgerichts Dessau fest, dass das Bundesumweltministerium
der DUH in den Jahren 2006/2007 die Prüfergebnisse verschiedener
Filtersysteme rechtswidrig verweigert hatte. Derzeit weigern sich das
Kraftfahrtbundesamt und Bundesverkehrsminister Tiefensee, Auskunft
über die tatsächliche Zahl der derzeit im Zentralen
Kraftfahrzeugregister gemeldeten Diesel-Pkw mit Betrugsfilter zu
geben. "Wir werden vor dem zuständigen Verwaltungsgericht auch diese
Daten einklagen. Die Bürger haben ein vitales Interesse daran zu
erfahren, wie viele steuerprivilegierte Fahrzeuge mit nicht
funktionierenden Dieselfiltern in unseren Innenstädten herumfahren."

Nach dem Scheitern der Kulanzregelung fordert die DUH die
Bundesregierung auf, mit dem Widerruf der "Allgemeinen
Betriebserlaubnis" für alle betroffenen Mangelfilter endlich
Rechtssicherheit für die betroffenen über 40.000 Autofahrer zu
schaffen und damit den Weg freizumachen für den notwendigen
"Neustart" bei der Pkw-Nachrüstung.

Bezüglich der Dieselruß-Emissionen von Lkw ist Deutschland nach
Überzeugung der DUH ein Entwicklungsland. Um höhere Margen zu
erzielen, verkaufen Lkw-Hersteller auch heute noch viele Neufahrzeuge
ohne Partikelfilter. Weder für leichte noch für schwere Nutzfahrzeuge
existieren - im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staaten - Anreize zur
Filternachrüstung. Die erste wirksame Reduktion der
Feinstaubemissionen verspricht die im Juni vom Bundeskabinett
beschlossene Neufestsetzung der Lkw-Mautsätze nach Schadstoffklassen.
Doch ausgerechnet die Bayerische Staatsregierung, die kürzlich für
ihre fortgesetzte Ignoranz beim Schutz der Bürger eine Ohrfeige erst
durch das Bundesverwaltungsgericht und dann den Europäischen
Gerichtshof kassierte, will nun diese Regelung am 19. September 2008
im Bundesrat zu Fall bringen.

Der Kampf der bayerischen CSU und einiger weiterer Bundesländer
gegen die modifizierte Lkw-Maut sei nicht nur ein Affront gegen alle,
die unter den hohen Feinstaubbelastungen leiden, sondern auch eine
Missachtung des Europäischen Gerichtshofs, der größere und auf Dauer
Ziel führende Anstrengungen gegen die Grenzwertüberschreitungen
verlangt. Schon deshalb müsse die Regelung, wie von der
Bundesregierung vorgeschlagen, zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.

Das Grundübel in der Feinstaubpolitik sei der mangelnde politische
Wille, in Deutschland das Feinstaubproblem so ernst zu nehmen, wie es
laut WHO ist. Danach sterben hierzulande Jahr für Jahr 75.000
Menschen vorzeitig an Feinstaub. Gerade erst ergab eine Untersuchung
des Instituts für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums in München,
dass Kinder an viel befahrenen Straßen etwa 50 Prozent häufiger
Atemwegserkrankungen erleiden und an Hautekzemen erkranken.

Resch forderte für den "Neustart der Feinstaubbekämpfung in
Deutschland" eine "konzertierte Aktion von Bundes- und Landespolitik,
Wirtschaft und Verbänden." Konkret müsse ein solcher Aufbruch ein
Bündel von Maßnahmen umfassen:

· Das schnelle Ende der Betrugsfiltermisere durch einen konsequenten
ABE-Entzug für alle nicht funktionstüchtigen Filter

· Die Einführung der "Mautspreizung" für Lkw ab dem 1. September
2009 wie von der Bundesregierung im Juni beschlossen

· Ein Programm zur Nachrüstförderung für leichte Nutzfahrzeuge und
Busse

· Die Einführung von Funktionstests für Dieselpartikelfilter im
Rahmen der routinemäßigen Abgasuntersuchung (AU)

· Die Schaffung weiterer Umweltzonen und konsequente Fahrverbote für
Dieselstinker ohne Partikelfilter ab 2010

Resch erinnerte daran, dass die Bundesländer wegen der geltenden
Nachrüstförderung in Höhe von 330 Euro bei gleichzeitiger
Höherbesteuerung nicht gefilterter Diesel-Pkw in vier Jahren
voraussichtlich Mehreinnahmen in Höhe von etwa 700 Millionen Euro
erzielen werden. Grund ist die Tatsache, dass die Filternachrüstung
im Pkw-Bereich wegen des Betrugsfilterskandals und der Weigerung von
Bund und Ländern für die Filter zu werben, weit hinter den
Erwartungen zurückbleibe. Es sei mehr als eine "moralische Pflicht"
des Staates, diese ausdrücklich für die Feinstaubbekämpfung
reservierten Summen auch entsprechend auszugeben. So sei eine
Nachrüstinitiative für Pkw und die Einbeziehung der bislang nicht
geförderten Nachrüstung von leichten Nutzfahrzeugen überfällig,
erklärte Resch.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 2400867-19, E-Mail:
resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 0302400867-0, Mobil: 0171 5660577, Fax: 030 2400867-19,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


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