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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Geschichtsvergessenheit:

Geschrieben am 29-07-2008

Bielefeld (ots) - Helmut Kohl hatte Recht. Zwar sind auch 19 Jahre
nach dem Mauerfall, anders als vom Kanzler der Einheit versprochen,
nicht überall im Osten »blühende Landschaften« entstanden. Aber
unbestritten ist, dass es den Menschen besser geht. Warum? Sie leben
jetzt in einer Demokratie.
Umso erschreckender ist, was eine repräsentative Schülerbefragung des
Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin nun zu
Tage gefördert hat. Das Fazit: Viele deutsche Schüler, vor allem im
Osten, aber auch im Westen, haben ein verklärtes Bild von der DDR.
Kurz: »Willy Brandt war ein DDR-Politiker und die Bundesrepublik hat
die Mauer gebaut.«
Nun mag man einwenden, dies sei nicht mehr als ein weiterer Beleg für
die Bildungsmisere - und manch ein Ausbildungsleiter könnte sicher
einiges Ernüchternde hinzufügen. Doch leider geht es um noch mehr. Es
geht um das Wesen unserer Gesellschaft. Die Unkenntnis historischer
Zusammenhänge macht anfällig für Bauernfängereien - egal, ob aus dem
linken oder dem rechten Lager.
Wenn also die zweite Diktatur, die Deutschland im 20. Jahrhundert
erdulden musste, verharmlost wird, ist Gefahr im Verzug. Einen Anteil
daran haben sicher ostdeutsche Lehrer und Eltern, die ja Teil dieser
Diktatur waren, wenn auch in vielen Fällen ein unmaßgeblicher. Ihr
Verhalten heute ist moralisch verwerflich, aber zutiefst menschlich.
Auch im Westen dieser Republik würde sich niemand gerne sagen lassen,
dass alles, was er in den vergangenen 40 Jahren gemacht hat, falsch
war. So werden Spreewaldgurken und der Trabi glorifiziert, während
man über Bautzen, menschenverachtende Stasi-Spitzeleien und
Mauer-Morde schweigt.
Ein mindestens ebenso großes Ärgernis sind prominente Zeitzeugen wie
Schauspielerin Katharina Thalbach, die diese Sichtweise noch
befeuern. Es mag sein, dass Frau Thalbach ihre Zeit in der DDR
persönlich nicht missen möchte, aber sie konnte das Land auch 1976
verlassen.
Die DDR ist in vielem so subtil grausig und lausig gewesen, dass es
mancher gar nicht merken konnte. Und nach der friedlichen Wende, die
vor allem dem Mut und der famosen Leistung der DDR-Bürger zu
verdanken ist, wollten es viele nicht merken - auch und vor allem im
Westen. Ein Stück aus der Berliner Mauer ja - aber ernsthafte
Auseinandersetzung mit der DDR - lieber nicht.
Dass viele Jugendliche heute so wenig über die DDR wissen, dürfen wir
also nicht nur den Schulen, den Lehrern oder der Politik, sondern
müssen wir uns auch selbst zuschreiben. »Wir sind das Volk«, haben
die Menschen bei den legendären Montagsdemonstrationen in Leipzig
gerufen. »Wir sind die Demokratie«, möchte man hinzufügen.
Wolfgang Tiefensee, Ostbeauftragter der Bundesregierung, hat eine
offenere Kommunikation gefordert: »Sprechen Sie mit ihren Kindern
über die schönen Erlebnisse, aber auch über Mauer und Stacheldraht.«
Letzteres zumindest gilt nicht nur in Potsdam, sondern auch in
Paderborn.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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