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Feinstaub: Europäischer Gerichtshof entscheidet über "Recht auf saubere Luft"

Geschrieben am 23-07-2008

Berlin (ots) - Betroffener verlangt vor dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) vom Freistaat Bayern weitgehende Maßnahmen gegen
hohe Feinstaubbelastung - Deutsche Umwelthilfe unterstützt den Kläger
- Entscheidung am Freitag, 25. Juli - DUH erwartet Urteil mit
europaweiten Konsequenzen

Berlin, 23. Juli 2008: Die Chancen wachsen, dass Bürgerinnen und
Bürger der Europäischen Union in mit lebensbedrohendem Feinstaub hoch
belasteten Wohnquartieren konkrete Gegenmaßnahmen vor Gericht
durchsetzen können. Der EuGH wird darüber am kommenden Freitag, 25.
Juli 2008, 09.30 Uhr entscheiden und das Urteil anschließend auf der
Internetseite des Gerichtshofs
(http://curia.europa.eu/de/actu/activites/index.htm) veröffentlichen.

Gegenstand des Verfahrens ist die von der Deutschen Umwelthilfe e.
V. (DUH) unterstützte Klage eines Münchener Bürgers, der vom
Freistaat Bayern die unverzügliche Aufstellung eines Aktionsplans
verlangt. Die DUH hatte seit Anfang 2005 angesichts ständiger
Überschreitungen der Feinstaub-Grenzwerte in vielen Ballungszentren
die Einführung von Umweltzonen gefordert und entsprechende
Betroffenen-Klagen forciert. Die nachfolgende Feinstaubdiskussion
führte schließlich nach jahrelanger Blockade durch die deutschen
Autohersteller zum annähernd flächendeckenden Einbau von
Partikelfiltern in Diesel-Neuwagen.

Der Münchner Kläger will erreichen, dass die Bayerische
Staatsregierung mit dem Aktionsplan schnell wirksame Maßnahmen zur
Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte in der Landshuter Allee festlegt,
wo der Kläger lebt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 29. März
2007 entschieden, dass das deutsche Recht einen solchen Anspruch
nicht kenne. Vielmehr müsse der Bürger nach hiesigem Recht konkrete
Beschränkungen, etwa des Straßenverkehrs, einklagen (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2007). Dies führt zu der
absonderlichen Konsequenz, dass von Feinstaub belastete Bürger gegen
jeden Straßenzug und jede Industrieanlage einzeln vorgehen müssten,
um entsprechende Nutzungsbeschränkungen vor Gericht durchsetzen zu
können. In einer Stadt wie München hieße dies, als Bürger hunderte
Verfahren zu führen, um eine Einhaltung des Grenzwerts zu erreichen.
Auch eine Umweltzone, die aktuell umfassendste Maßnahme zur
Reduzierung der Feinstaubbelastung, könnten Bürgerinnen und Bürger
nicht vor Gericht einklagen.

Die absurde Situation veranlasste das Bundesverwaltungsgericht,
den EuGH in einem so genannten "Vorabentscheidungsverfahren" zu
fragen, ob Betroffene einen unmittelbaren Anspruch auf Aufstellung
eines Aktionsplans nicht aus dem EU-Recht herleiten könnten. Die
Bundesrichter legten daher dem EuGH verschiedene Fragen zur
Entscheidung vor. Danach hat der EuGH (C-237/07) zu entscheiden, ob
der Bürger einen Anspruch auf Aufstellung eines umfassenden Plans zur
Feinstaubbekämpfung hat und welchen konkreten Inhalt ein solcher Plan
haben muss. Die Vorteile eines solchen Anspruchs sind gewaltig:
Bürger hoch belasteter Quartiere müssten nur noch eine einzige Klage
erheben, um die Feinstaubbelastung in einer ganzen Stadt zu senken.
Überdies könnten sie dadurch unmittelbar eine Umweltzone einklagen.
Klagebefugt wären auch nicht nur Bürger, die unmittelbar neben einer
Messstelle wohnen (wie bisher), sondern alle Bürger der Stadt. Der
EuGH wird auch klären, wie schnell die Maßnahmen zu ergreifen sind,
die gegen die Feinstaubbelastung ergriffen werden müssen.

"Nach mehr als drei Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen sind
wir guter Hoffnung, dass die Feinstaub-Betroffenen endlich ein
effektives und kraftvolles Recht auf saubere Luft gegen Stadtväter
und Landespolitiker durchsetzen können, die sich ihrer vornehmsten
Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger vor schweren Gesundheitsgefahren
zu schützen, immer noch beharrlich zu entziehen versuchen", sagte DUH
Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Sollte der EuGH ein
bürgerfreundliches Urteil fällen, rechnet Resch mit harten und
umgehenden Fahrverboten in allen von zu hohen Feinstaubbelastungen
betroffenen Ballungsgebieten. "In Städten mit Umweltzonen, die die
Grenzwerte für Feinstaub trotzdem noch überschreiten, wird man über
umgehende Verschärfungen der Regelungen entscheiden müssen, zum
Beispiel könnten dort kurzfristig nur noch Fahrzeuge mit grüner
Plakette zugelassen werden", so Resch.

Der Münchner Kläger wehrt sich seit drei Jahren gegen die massive
Überschreitung der EU-weit gültigen Feinstaubgrenzwerte in seiner
Wohnstraße. Die Musterklage wird von der DUH unterstützt. Die
Landshuter Allee zählt nach den Veröffentlichungen des
Umweltbundesamtes zu den bundesweit am stärksten belasteten Straßen.
Feinstaub gilt als das derzeit schwerwiegendste Luftreinhalteproblem
in Deutschland und geht entlang der Hauptverkehrsadern vor allem auf
die Emissionen von Pkw- und Lkw-Dieselmotoren zurück. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass in Deutschland
insgesamt jährlich 75.000 Menschen vorzeitig und im Durchschnitt zehn
Jahre zu früh an der Feinstaubbelastung sterben.

Dr. Remo Klinger, DUH-Anwalt aus der Berliner Kanzlei Geulen &
Klinger und Vertreter des Münchner Klägers in dem Verfahren: "Wenn
wir gewinnen, werden Bürgerinnen und Bürger europaweit ihr Recht auf
saubere Luft einklagen können. Umweltzonen mit Ausnahmeregeln für
alles und jeden werden dann in vielen deutschen Städten nicht mehr
genügen."

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e. V. Bundesgeschäftsführer,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil.: 0171 3649170, Tel. Büro
07732 9995 0; Fax: 030 2400867 19, E-Mail: resch@duh.de

Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger, Schaperstr.
15, 10719 Berlin, Tel.: 030 884728 0, Fax: 030 884728 10, E-Mail:
klinger@geulen.com

Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e. V., Leiter Politik,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030/2400867 0, Fax:
030/240086719, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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