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Westdeutsche Zeitung: Obama-Rede in Berlin = von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 20-07-2008

Düsseldorf (ots) - Es sieht so aus, als bräuchte es weitere 60
Jahre, bis wir in der Lage sind, unverkrampfter mit der jüngeren
deutschen Geschichte umzugehen. Der nationalsozialistische Völkermord
an den europäischen Juden und der Vernichtungskrieg in Osteuropa
überstrahlen unser Geschichtsbewusstsein derart, dass differenzierte
zeitgeschichtliche Betrachtungen noch immer kaum möglich sind. Auch
wenn der Streit um eine Kollektivschuld zugunsten einer kollektiven
Verantwortung des Erinnerns überwunden ist, wird in jeder Debatte die
Hitlerkeule geschwungen, sobald auch nur entferntere Bezüge gegeben
oder zu konstruieren sind.
Dieses Schicksal begleitet öffentliche Gelöbnisse von
Bundeswehrrekruten seit Gründung der Streitkräfte - obwohl die
Soldaten gerade auf die Verteidigung des freiheitlichen Rechtsstaates
verpflichtet werden. Glaubwürdige Pazifisten mögen sich an diesem
militärischen Ritual reiben. Gewaltbereite Autonome, die die
Gelöbnisse zu sprengen versuchen, verdienen dagegen nicht den Hauch
von Verständnis. Umso wichtiger, dass sich die Spitzenpolitiker der
Bundesregierung, Angela Merkel und ihr Vizekanzler Steinmeier, spät,
aber nicht zu spät zur Teilnahme an dem Gelöbnis aus Anlass des
Gedenktags zum Hitler-Attentat entschlossen haben.
Geradezu skurille Züge trägt dagegen die Debatte um den Auftritt des
US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama an der Berliner
Siegessäule. Nachdem schon die Kanzlerin mit dem von ihr verhängten
Redeverbot vor dem Brandenburger Tor die Grenze international
vermittelbarer Selbstbespiegelung gesucht hat, kommen nun Politiker
aus der zweiten und dritten Reihe, um über die fragwürdige Bedeutung
der "Goldelse" zu sinnieren - wie die Berliner in entwaffnender Weise
die Siegesgöttin Viktoria getauft haben. Nur weil die
Nationalsozialisten dieses preußische Denkmal vom ehemaligen
Königsplatz in den Berliner Tiergarten verpflanzt haben, ist der Ort
für Obama ebenso wenig tabu wie in vergangenen Jahren für die
Loveparade oder die WM-Fanmeile.
Die deutsche Demokratie ist ohne ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein
nicht denkbar. Wir sollten aber die Zahl der Fehldeutungen, mit denen
wir uns lächerlich machen, deutlich reduzieren.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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