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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Mittelmeerunion

Geschrieben am 13-07-2008

Leipzig (ots) - Was verbindet - sagen wir einmal - Dänemark mit
Syrien? Oder Norwegen mit Tunesien? Gehören Luxemburgs Regierungschef
Juncker und Ägyptens Autokrat Mubarak in eine Liga? Vermutlich
provozieren die Antworten kaum Widerspruch: Nicht sonderlich viel bis
nein. Was also treibt Frankreichs Präsident Sarkozy bei seinem
Lieblingsprojekt Mittelmeerunion? Es wäre zu einfach, die Idee einzig
dem in der Tat von politischem Geltungsbedürfnis und Aktionismus
geprägten Staatsoberhaupt zuzuschreiben. Die Region des Mittelmeeres
stellt seit der frühen Antike für Anrainerstaaten, Nachbarn und
Mächte mit imperialen Ansprüchen ein verlockendes ökonomisches und
strategisches Ziel dar. Islamismus, Unterentwicklung und Terrorismus
sind eine riesige Herausforderung. Nahost-Kriege und Migrationsströme
aus dem Süden zeigen zudem: Ohne Regelung der Probleme in der Region
des südlichen Mittelmeeres wird auch Europa nicht in Ruhe leben.
Soweit, so gut.
Die wichtigste Regel einer Idee lautet allerdings, dass sie umsetzbar
sein muss. Im gegenteiligen Fall gerät die Vision zum Größenwahn. Das
entscheidende Dilemma der avisierten Union besteht in dem Widerspruch
zwischen den hehren Ansprüchen und der Unmöglichkeit ihrer
Realisierung. Frankreichs zunehmende Orientierung auf Israel schließt
die Integration arabischer Staaten aus. Freiheit des Kapitalverkehrs
bei gleichzeitiger Verhinderung der Freizügigkeit der Menschen
stempelt die Migration zur Illegalität. Vor allem aber liegt der
Unionsidee die naive Auffassung zugrunde, eine Vereinheitlichung von
Institutionen werde ganz von selbst zu einer Angleichung der enormen
Unterschiede im Lebensniveau nördlich und südlich des Mittelmeeres
und zu mehr Demokratie führen. Fast alle Staaten der maghrebinischen
Region werden noch immer von autoritären oder halbautoritären Regimes
beherrscht. Und in fast allen Fällen drückt Europa beide Augen zu,
wenn die Angst dieser Autokraten vor einer islamistischen
Machtübernahme als Vorwand zur Beschneidung demokratischer
Grundrechte herhalten muss. Kaum anzunehmen, dass sich Ägyptens
Präsident Mubarak durch die Mitgliedschaft in der Union zu Demokratie
und Meinungsfreiheit, wirklichen Wahlen und Zulassung einer
Opposition veranlasst sehen wird.
Diese Unverbindlichkeit ist es wohl auch, die sogar verfeindete
Staats- und Regierungschefs wie Syriens Assad und Israels Olmert
einer Teilnahme zustimmen lässt. Frieden bringen derartige Treffen
nicht wirklich. Natürlich weiß das alles auch Initiator Sarkozy. Dass
der französische Präsident dennoch sein Projekt forciert, hat eine
strategische Erklärung: Paris strebt ein Gegengewicht zur
Osterweiterung der EU an, die die Bedeutung Deutschlands erhöht.
Daraus dürfte nach der von Berlin durchgesetzten Verschiebung der
Macht- und Entscheidungskompetenz der Mittelmeerunion in die EU nun
nichts werden. Die Mittelmeerunion wird kein Forum für Sarkozys
Alleingänge. Das ist gut. Bedenklich stimmt der Preis - die
Verwässerung der Union durch eine aufgeblähte Mitgliedschaft und eine
Themenagenda, die alles umfasst und kaum etwas löst.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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