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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Münchener U-Bahn-Schlägern

Geschrieben am 08-07-2008

Bielefeld (ots) - Ungezählte Male haben wir mittlerweile die
Bilder aus der Überwachungskamera der Münchener U-Bahn-Station
gesehen, und jedes Mal aufs Neue lösen sie blankes Entsetzen aus. Ein
Hagel von Faustschlägen, brutalste Fußtritte gegen den Kopf des
Opfers - es grenzt an ein Wunder, dass der pensionierte Schuldirektor
den Gewaltexzess der beiden Schläger überlebt hat. An den Folgen der
Tat aber wird er ein Leben lang leiden.
Über das Entsetzen hinaus machen diese Bilder Angst: Könnte nicht
jeder von uns ein solches Zufallsopfer werden? Als »Scheißdeutscher«
beschimpft, beraubt und verprügelt zu werden?
Das Urteil des Landgerichts München kann diese Angst nicht nehmen.
Aber es setzt ein Zeichen, indem es die Tat als versuchten Mord
wertet. Obwohl die beiden Täter betrunken waren. Obwohl sie Drogen
genommen hatten. Obwohl sie, wenn auch halbherzig, Reue geäußert
haben. »Eine völlig sinnlose Tat auf sittlich niedrigster Stufe«
nennt der Vorsitzende Richter Reinhold Baier das Gewaltverbrechen -
wer will ihm widersprechen?
Da ist es nur konsequent, dass der zur Tatzeit 20 Jahre alte Serkan
A. nicht nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Auch beim Strafmaß
blieb das Gericht nahe an der Forderung der Staatsanwaltschaft und
nur knapp unter den möglichen Höchststrafen: Zwölf Jahre Haft für
Serkan A., achteinhalb Jahre Jugendstrafe für den drei Jahre jüngeren
Spyridon L.: Wer nun »Was, mehr nicht?« ruft, verkennt das deutsche
Rechtssystem, das zu Recht keinen Unterschied macht, ob es sich bei
den Tätern um Einheimische oder - wie in diesem Fall - um einen
Türken und einen Griechen handelt.
Vor den beiden U-Bahn-Schlägern von München müssen wir vorerst also
keine Angst mehr haben - im Falle von Serkan A. vielleicht sogar nie
mehr, wenn sich die CSU mit ihrer Forderung auf Abschiebung in die
Türkei durchsetzt, obwohl der 20-Jährige in Deutschland geboren ist.
Es ist gut, dass der in der Vergangenheit oft als zu nachsichtig
empfundene Rechtsstaat mit dem Münchener Urteil Stärke zeigt. Doch
mit Strafen allein ist das Problem der Jugendgewalt nicht gelöst.
Über Jahrzehnte hinweg hat es unser Gemeinwesen geduldet, dass sich
Parallelgesellschaften entwickeln konnten. Integration wurde weder
gefördert noch gefordert, Einheimische wie Zugewanderte begegnen sich
nach wie vor mit großem Misstrauen.
Gewalt, das wissen Experten aus der Jugend- und Sozialarbeit, ist
nicht ein Problem der Nationalität, sondern des Milieus - das
allerdings allzu oft von der Herkunft geprägt ist.
Wer diese Milieus aufbrechen will, muss im Kindesalter ansetzen, muss
Problemfamilien stützen, Jugendlichen Berufschancen eröffnen -
gleichgültig, ob sie einen türkischen, einen russischen oder einen
deutschen Namen tragen.
Das ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft -
Rückschläge nicht ausgeschlossen.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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