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Der DUH-Artenschutz-Fall des Tages (Teil 2): Baden-Württemberg verfügt rechtswidrig Vernichtung geschützter Kormoran-Brut

Geschrieben am 19-05-2008

Berlin (ots) - Teil 2 der DUH-Serie zum Stand des Naturschutzes
in Deutschland anlässlich der UN-Biodiversitätskonferenz:
Baden-Württemberg missachtet die Rechte von Naturschutzverbänden und
zerstört den Nachwuchs der Kormorane am Bodensee - die
Landesregierung verstößt gegen das Naturschutzrecht und nimmt
Schädigung auch von anderen unter Artenschutz stehenden Tiere
billigend in Kauf - DUH fordert Ministerpräsidenten der Bundesländer
zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland auf.

Berlin, 19. Mai 2008: Während die Bundesregierung auf der
UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn für den weltweiten Erhalt der
biologischen Vielfalt wirbt, werden in Deutschland geschützte
Tierarten aktiv verfolgt. Ganz oben auf der Abschussliste in vielen
Bundesländern steht der Kormoran, der zwar nach
EU-Vogelschutzrichtlinie und Bundesnaturschutzgesetz eine besonders
geschützte Art ist, aber dennoch regelmäßig bejagt bzw. dessen Brut
zerstört wird. Nordrhein-Westfalen hat ebenso wie Brandenburg und
andere Bundesländer eigene Kormoran-Verordnungen erlassen, um die
Tötung der geschützten Vögel zu legitimieren. Allein im Winter
2006/2007 haben Jäger 2.362 Kormorane in Nordrhein-Westfalen
abgeschossen (Zahlen der Landesnaturschutzverwaltung). Das war der
Landesregierung unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers offenbar
nicht genug, daher hat sie für den Winter 2008 zusätzlich zur
Verordnung noch einen Kormoran-Erlass (Dezember 2007) herausgegeben,
laut dem die Vögel auch innerhalb von Naturschutzgebieten und während
der Schonzeiten geschossen werden dürfen. In der Jagdsaison 2007/2008
ließen daher wieder mindestens 2.300 ausgewachsene Kormorane in
Nordrhein-Westfalen ihr Leben, nicht mit eingerechnet sind die durch
den Tod der Altvögel zerstörten Bruten mit abgestorbenen Eiern und
erfrorenen Jungtieren. Nordrhein-Westfalen wähnt sich mit Verordnung
und Erlass auf der rechtlich sicheren Seite, obwohl nach dem
Artenschutzgesetz und der EU-Vogelschutzrichtlinie Kormorane nicht
als jagdbare Arten gelistet sind und daher ausdrücklich nicht dem
Jagdrecht unterliegen.

Baden-Württemberg hat sich im April 2008 einen "kalten Tod"
ausgedacht, um die einzige Kormoran-Kolonie am deutschen Ufer des
Bodensees zu vernichten. Am Mittag des 8. April erließ das
Regierungspräsidium Freiburg einen Bescheid, mit dem der eigenen
Behörde die Zerstörung der Kormoran-Brut genehmigt wurde. "Dieser ist
in rechtswidriger Weise für sofort vollziehbar erklärt worden, damit
die in einem Rechtstaat üblichen Rechtsbehelfe keine aufschiebende
Wirkung entfalten können", sagt Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer
der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). Der Naturschutzbund NABU hat am
selben Nachmittag mit Unterstützung der DUH beim Verwaltungsgericht
Freiburg einen Eilantrag gegen den Sofortvollzug des Bescheids
gestellt und darüber auch das Regierungspräsidium informiert. Um vor
einer Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag jedoch Fakten zu
schaffen, wurde die Vernichtungsaktion noch in derselben Nacht
durchgeführt. "Mit einem solchen Vorgehen von staatlichen Behörden
muss man wahrscheinlich in Rußland oder China rechnen, aber in einem
Rechtsstaat darf das nicht passieren", sagt Baake. Das Vorgehen
bezeichnet er als eine beispiellose Missachtung der gesetzlich
garantierten Rechte der Naturschutzverbände durch die
baden-württembergische Landesregierung. Dies werde auch dadurch
unterstrichen, dass der Antrag von vier Fischereivereinen für eine
Vernichtung der Brut bereits zwei Jahre beim Regierungspräsidium lag,
bevor er dann binnen weniger Stunden genehmigt und vollzogen wurde.
Der Regierungspräsident Freiburg hatte sich in seinem Bescheid auf
die ausdrückliche Zustimmung des vorgesetzten Ministeriums für
Ernährung und Ländliche Entwicklung unter Minister Peter Hauk (CDU)
berufen.

In der frostigen Nacht vom 8. auf den 9. April setzten
Mitarbeiter des Regierungspräsidiums die Elternvögel mit dem grellen
Licht aus Halogensscheinwerfern so unter Druck, dass die Kormorane
von den Nestern aufflogen, die Eier und die bereits geschlüpften
Jungvögel verließen und der Nachwuchs zwangsläufig erfrieren musste.
"Die Vernichtungsaktion verstößt gegen geltendes Naturschutzrecht",
sagt Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin Recht der DUH. "In dem Bescheid
des Regierungspräsidiums Freiburg wird weder nachgewiesen, dass der
Fischereiwirtschaft erhebliche Schäden drohen, noch sind die zum
Schutz der Vögel in den Regelungen des Naturschutzrechts vorgesehenen
Kontrollmaßnahmen festgelegt." In dem Bescheid schreibt das
Regierungspräsidium zudem ausdrücklich, dass ein Tag vor der
Vertreibungsaktion im Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebiet am
Bodensee (Radolfzeller Aachried) geprüft werden müsse, ob die Bruten
anderer geschützter Arten betroffen seien. Da der Bescheid erst am
Dienstagmittag erlassen worden ist, konnte die ordentliche
Überprüfung jedoch gar nicht stattfinden. Der Naturschutzbund NABU
wies damals auch darauf hin, dass Vogelexperten bereits geschlüpfte
Jungvögel des Schwarzmilan gesichtet hatten. Da Schwarzmilane und
Kormorane in denselben Bäumen brüten, wurden zwangsläufig auch die
Greifvögel mit aufgescheucht. Die Tötung von Jungvögeln gleich
welcher Art ist nach Auffassung von DUH und NABU illegal.

Die Argumente für den Abschuss des Kormoran sind deutschlandweit
immer dieselben: Angeblich vernichte der Kormoran die Fischbestände
in deutschen Gewässern. Hobbyangler und Fischereivereine sehen im
Kormoran ihren größten Konkurrenten und machen den Vogel für
schwindende Fischarten wie Aal und Äsche verantwortlich.
Langzeitbeobachtungen zeigen jedoch, dass der Kormoran allenfalls für
zwei Prozent der Aalverluste in Binnengewässern verantwortlich ist,
Äschen ebenfalls nur äußerst selten auf dem Speiseplan des Kormoran
stehen und das Artensterben unter der Wasseroberfläche nicht zu
Lasten des Vogels geht. Kormorane fressen täglich 400 bis 500 Gramm
Fisch, bevorzugen aber die leicht zu jagenden Weißfische, für die
sich Angler und Fischer eigentlich nicht interessieren. Der
dramatische Rückgang von Aalen in deutschen Binnengewässern ist - wie
überall auf der Welt - auf die Überfischung der Jungtiere im Atlantik
vor Spanien und Frankreich, verschmutzte und verbaute Flüsse,
Trockenlegung von kleinen Gewässern und Chemikalien aus Industrie und
Landwirtschaft zurückzuführen.


___________________________________________________________________
Die DUH-Serie zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland

In Bonn präsentieren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Artenschutzkonferenz
als Kämpfer für die weltweite Biodiversität. Die Deutsche Umwelthilfe
begrüßt ausdrücklich das Engagement der Bundesregierung für den
weltweiten Arten- und Naturschutz, ist aber besorgt über die
mangelnde Umsetzung von Zielen zum Schutz der Biodiversität in
Deutschland. Bislang schaffen Bund und Länder es nicht, dem Natur-
und Artenschutz innerhalb Deutschlands zu seinem Recht zu verhelfen.
So liegt Deutschland innerhalb der Europäischen Union im letzten
Drittel bei der Ausweisung von Schutzgebieten nach der
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die einen Mindeststandard für
den Schutz bedrohter Tiere und Pflanzen bildet. Deutschland hat aber
nicht nur extrem wenig Gebiete unter den FFH-Schutz gestellt, der
Zustand der Gebiete "befindet sich in einem ungünstigen
Erhaltungszustand", wie das Bundesamt für Naturschutz im Januar 2008
festgestellt hat.

Für die Ausweisung und Pflege der FFH-Gebiete sind ebenso wie für
den Naturschutz die Bundesländer zuständig. Dort hat die
Biodiversität oftmals keinen hohen Stellenwert: Niedersachsens
FDP-Umweltminister Sander greift im Biosphärenreservat Elbe
eigenhändig zur Kettensäge, Baden-Württemberg genehmigt die Tötung
der international geschützten Kormoranbrut am Bodensee, Bayern
schießt den einzigen Braunbären im deutschen Alpenraum ab.

Die DUH unterstützt nachdrücklich die nationale
Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Dieses im
Bundeskabinett verabschiedete Programm für die biologische Vielfalt
in Deutschland ist jedoch nichts wert, solange die Strategie nicht
praktisch umgesetzt wird. Die DUH ist in großer Sorge um heimische
Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume. Um der auch hierzulande
bedrohten Natur eine Stimme zu geben, veröffentlicht die DUH während
der UN-Biodiversitätskonferenz regelmäßig einen Artenschutz-Fall des
Tages aus Deutschland. Quer durch die Republik haben wir zwischen
Nordsee und Alpen, Müritz und Bodesee Beispiele für die Zerstörung
unserer Natur zusammengetragen.

Bisher erschienen: Sachsen-Anhalt schrumpft das Biosphärenreservat
Flusslandschaft Elbe.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 - 24 00 867-15, Mobil:
0151 - 55 01 69 43, baake@duh.de

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Gartenstraße 7, 29475 Gorleben, Mobil: 0160 - 89 50 556,
neuschulz@duh.de

Ulrike Fokken , Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030-24 00 867-22, Mobil:0151
- 55 01 70 09, fokken@duh.de


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