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LVZ: Meisterleistung

Geschrieben am 12-05-2008

Leipzig (ots) - Von Norbert Mappes-Niediek
Die Serben hatten zu entscheiden, ob sie ohne Wenn und Aber in die EU
wollen oder nicht. Es gab eine klare Antwort: Sie wollen. An
möglichen Wenns und Abers hätte es dabei nicht gemangelt. Da lag
zunächst Kosovo im Wege, über dessen Status die Union und Serbien
unversöhnlich streiten. Kaum weniger hinderlich war der Blick zurück
auf die Neunzigerjahre: Müssen wir uns schämen oder dürfen wir stolz
sein? Unsere Offiziere und Freischärlerführer, sind sie Helden oder
Kriegsverbrecher? Wen machen wir verantwortlich für die Bomben, die
uns vor gerade einmal neun Jahren auf den Kopf gefallen sind:
Slobodan Milosevic - oder doch die Nato- und EU-Staaten, die sie
abwerfen ließen?
Und schließlich herrscht nach den vielen Jahren des wirtschaftlichen
Elends besonders im ländlich-kleinstädtischen Inneren Serbiens Furcht
davor, noch tiefer zu fallen, jetzt völlig vergessen zu werden. Es
waren gewichtige Sorgen, Bedenken und Einwände. Aber sie alle hat die
Sonne Europas glänzend überstrahlt.
Der Wahlsieg der pro-europäischen Demokraten war auch eine taktische
Meisterleistung. Der Ruhm dafür gebührt dem serbischen Präsidenten
Boris Tadic und dem slowenischen Außenminister Dimitrij Rupel. Um ja
nicht in den Geruch des vaterlandslosen Gesellen zu geraten, hatte
Tadic den rigiden Kosovo-Kurs seines zunehmend bitteren
Regierungschefs über Monate ganz und gar mitgetragen - zum Verdruss
vieler seiner Anhänger, die sich von den Nationalen in Geiselhaft
genommen fühlten. Aber Tadics Taktik hat zum Ziel geführt. Wider
besseres Wissen sagten alle seine pro-europäischen Minister und
Abgeordneten brav ihre Sprüchlein auf: Dass Serbien Kosovo niemals
anerkennen werde, dass die Wiedergewinnung der verlorenen Provinz
eine Priorität der serbischen Politik bleibe.
Auch wenn man ihnen nicht recht glaubte: Niemand sollte sie
nationaler Unzuverlässigkeit zeihen können. Und dann, kurz vor der
Wahl, schuf Tadic Tatsachen und unterzeichnete das entscheidende
Abkommen mit der EU, gegen den empörten Protest des
Koalitionspartners. Mit der Unterschrift in Luxemburg wurde den
Wählern klar, dass Europa keine Fata Morgana ist. Serbien kann
kommen, wenn es nur will.
Aber auch manche Unionsregierungen mussten sich aufraffen, um den
Erfolg in Serbien möglich zu machen. Nach der Aufnahme Rumäniens und
Bulgariens herrscht Erweiterungsmüdigkeit; lieber möchte man sich in
Ruhe einmal vertiefen, als ständig neue Mitglieder aufzunehmen. Im
Falle Serbiens kommt hinzu, dass die Regierung keine Anstalten macht,
Kriegsverbrecher nach Den Haag auszuliefern. Dass Europa sich jetzt
pragmatisch über seine Stimmungen und seine Regeln hinweggesetzt hat,
ist der Überzeugungskraft der Ratspräsidentschaft Sloweniens zu
danken. Der schwerfällige Staatenbund als flexibler, geschickter
Akteur auf internationalem Parkett: Das hat man noch selten erleben
dürfen.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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