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Rheinische Post: Koch macht Fehler, und Merkel nutzt sie

Geschrieben am 14-01-2008

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist im Wahlkampf Opfer der
Mechanismen geworden, die er sonst so virtuos beherrscht: Sein
Vorschlag, straffällig gewordene Kinder unter 14 Jahren in schweren
Ausnahmefällen nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen, fiel im
CDU-Präsidium glatt durch und wurde öffentlich von allen Seiten
zerpflückt. Eine, ach was, ein Satz Ohrfeigen für Koch.
Der Haudegen aus Wiesbaden hat als Wahlkämpfer überzogen, obwohl er
in der Sache von Praktikern aus Polizei und Justiz, die sich seit
Jahren mit "Klau-Kids" und Kinderbanden herumschlagen, auch
Zustimmung erfahren hat. Ausgerechnet Koch hatte jedoch erwartet,
dass seine differenzierten Ausführungen auch differenziert diskutiert
würden und das gut zwei Wochen vor dem hessischen Wahltermin. Für
Roland Koch wirkt das ungewöhnlich naiv. Es könnte Ausdruck der
Nervosität des Ministerpräsidenten und seiner Berater sein, da die
Umfragen ihnen ein knappes Rennen verheißen. Oder aber es ist ein
Signal für verfrühten Übermut im Koch-Lager, nachdem es gelungen war,
mit dem Thema der Jugendkriminalität, besonders unter jungen
Ausländern, aus der Wahlkampfdefensive zu kommen.
Es ist aber auch bemerkenswert, wie die CDU-Bundesvorsitzende Angela
Merkel die Demontage ihres Stellvertreters nicht nur zuließ, sondern
gar beförderte. Die unverschleierte Rüge des CDU-Präsidiums für Kochs
Vorstoß schwächt den hessischen Ministerpräsidenten im Wahlkampf
enorm und dient seinen Gegnern als Beleg für Kochs
Regierungsunfähigkeit. Die Kanzlerin lässt sich so zur schärfsten
Waffe der bislang Kochs Wahlkampfstrategie relativ hilflos
gegenüberstehenden SPD machen.
Das scheint Merkel, die selbst kein Mittel gegen die
SPD-Mindestlohn-Kampagne fand, wenig zu stören. Sie folgt eigenen
Interessen. Wie immer? Brüskierte sie doch auch Baden-Württembergs
Regierungschef Günther Oettinger nach dessen unseliger
Filbinger-Gedenkrede, indem sie ihren telefonischen Rüffel für den
Stuttgarter öffentlich machte. Friedrich Merz, Edmund Stoiber oder
Jürgen Rüttgers könnten ähnliches berichten, wenn sie sich denn
trauten.
Merkel ist immer zuerst Einzelkämpferin. Im aktuellen Fall geht es
ihr um die Stabilität der Koalition ihrer Koalition. Sie sah sie
mehr durch den Unruheherd Koch als durch die wüsten Attacken der SPD
auf ihren Parteifreund gefährdet. Mit ihrem Abrücken von Koch
verhinderte Merkel ein nach den turbulenten Tagen der vergangenen
Woche plötzlich doch möglich scheinendes Auseinanderbrechen ihres
schon "die grobe Koalition" getauften Bündnisses.
Dafür ist Merkel sogar der Preis nicht zu hoch, dass Koch durch den
erlittenen Gesichtsverlust möglicherweise wichtige Prozentpunkte in
der Wählergunst einbüßen, die CDU am Ende gar Hessen verlieren
könnte. Sie vertraut allerdings auch, flüstern die Eingeweihten in
Berlin, auf interne Umfragen, die Kochs CDU gemeinsam mit der FDP
immer noch eine sichere Mehrheit prognostizieren "Kinderknäste" hin,
"Kinderknäste" her.
Nun ist die Demoskopie eine wacklige Plattform für Optimismus, doch
Merkel ficht das nicht an. Sie sieht für sich wohl auch keine andere
Wahl. Denn Merkel ist bei weitem nicht eine so starke Kanzlerin, wie
es die Legenden-Schmieden im Kanzleramt oder in der Partei
suggerieren. Weite Teile der Funktionärsebene der CDU wie die CSU als
Ganzes ordnen sich ihr immer noch nur widerwillig unter.
Merkels große Stärke ist weiterhin die Uneinigkeit der sich
eifersüchtig belauernden Unions-Ministerpräsidenten gerade war
wieder gut zu beobachten, wie der Niedersachse Wulff die aktuelle
Schwäche des Hessen Koch zur Profilierung als liberaler Wortführer
der Partei nutzte. Die CDU-Vorsitzende teilt und herrscht.
In ihrer Schwäche, die sie mit dieser Methode geschickt kaschiert,
ist Merkel im übrigen ihrem SPD-Gegenpart Kurt Beck nicht unähnlich,
der ebenfalls kein Interesse am Koalitionsbruch signalisierte. Beck
wurde wie Merkel in einer Krisensituation eher zufällig
Parteivorsitzender und wird von der eigenen Führungsspitze kritisch
beäugt, obwohl niemand aufmuckt. Auch das hätte sich bei einem
Platzen der Koalition rasch geändert.
Der gestrige Tag noch mal in der Zusammenfassung: Koch ist
angeschlagen, aber er humpelt weiter. Für die große Koalition gilt
das Gleiche.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
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Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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