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LVZ: Tickende Zeitbombe

Geschrieben am 27-12-2007

Leipzig (ots) - Von Kostas Kipuros
Spitzenpolitiker Pakistans sind nur selten auf friedliche Weise aus
dem Amt geschieden. Putsch, Exil oder Mord waren seit der
Staatsgründung von 1947 die geläufigsten Methoden, um sich
politischer Gegner zu entledigen. 1977 rief Zia ul-Haq das
Kriegsrecht aus, zwei Jahre später ließ der General den gestürzten
Regierungschef Ali Khan Bhutto hängen, 1999 putschte General Pervez
Musharraf gegen die gewählte Regierung Nawaz Sharif und installierte
das bereits vierte Militärregime Pakistans. Auch die Ermordung der
ehemaligen Regierungschefin und Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto
markiert nur einen vorläufigen Höhepunkt der Gewalt, mitnichten ihr
Ende.
Dabei war es die Regierung Bhuttos selbst, die mit der Unterstützung
der Taliban gegen Kabul bedenkenlos Terror zu einem Mittel der
Politik erklärte. Die Angst vor dem iranischen Einfluss in der Region
diktierte damals die Entscheidung, für die auch Washington aus
ähnlichen Befürchtungen heraus grünes Licht gab. Vermutlich ist der
Mord an Bhutto in den Reihen jener religiösen Fanatiker geplant
worden, die aus den pakistanischen Taliban hervorgegangen sind. Dafür
spricht nicht nur die Tatsache, dass islamistische Dschihadis Bhutto
schon lange auf ihrer Liste hatten. Dafür spricht vor allem die
Ohnmacht des Militärdiktators Musharraf, der trotz weitgehender
Zugeständnisse an die Militär und Geheimdienst unterwandernden
Islamisten zunehmend die Kontrolle über das Geschehen verliert.
Seit sich Musharraf in Folge der Anschläge vom 11. September im Kampf
gegen den Terrorismus unter Druck Washingtons auf die Seite von
Präsident Bush geschlagen hat, ist der Staat endgültig zum Todfeind
der Islamisten mutiert. Die Krise um die Rote Moschee zeigte, dass
nicht einmal mehr der Geheimdienst ISI sein selbst geschaffenes
islamistisches Frankenstein-Monster zu steuern vermag. Dennoch
weigert sich Musharraf noch immer, seine demokratischen Gegner an der
Macht teilhaben zu lassen. Der Glaube, auch ohne
zivilgesellschaftliche Kräfte mit dem Islamismus fertig zu werden,
dürfte sich mit dem Mord an Bhutto nun endgültig erledigt haben.
Musharraf hat als Garant der Stabilität offensichtlich versagt.
Als untauglich hat sich aber auch die Politik der Bush-Regierung
erwiesen, die Musharraf weder fallen lassen noch stärken will. Es ist
ein Armutszeugnis wenn US-Vizeaußenminister John Negroponte den
Diktator als "unsere Option Nummer eins, Nummer zwei und Nummer drei"
beschreibt. Es mag ja sein, dass den schwachen demokratischen
Parteien Pakistans nicht der plötzliche große zivilisatorische Wurf
zuzutrauen ist. Doch der Anschlag auf Bhutto belegt: Mittelfristig
gibt es zu ihnen keine Alternative. Ob sich Bush zu dieser
Schlussfolgerung durchringt, bleibt offen. Noch darf sich Musharraf
in der Gewissheit wiegen, dass Washington keine andere Wahl zu haben
glaubt, als sein Regime zu unterstützen. Die Lage in Afghanistan
wertet Pakistan so lange auf, wie sie kritisch bleibt. Und solange
ein US-Krieg gegen den Iran nicht vom Tisch ist, wird Bush am Regime
festhalten. Was deutlich macht - ohne eine generelle Änderung der
bisherigen Strategie bleibt Pakistan, was es ist: ein im Kampf gegen
den Islamismus vermeintlich kleineres Übel, das in Wirklichkeit eine
tickende Zeitbombe ist.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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