(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Zu den Trippelschritten der großen Koalition: Der Zauber verfliegt

Geschrieben am 02-05-2006

Cottbus (ots) - Es wird häufiger gelacht bei Pressekonferenzen der
Koalitionäre. Der Eindruck von Fröhlichkeit trügt jedoch. Die Zuhörer
lachen, weil die Verwirrung wächst. Denn bei all den inhaltlichen
Einsichten, Kehrtwenden und Formelkompromissen haben die
Spitzenkräfte von Union und SPD inzwischen ihre liebe Mühe,
nachvollziehbar ihre Spurwechsel zu erläutern. Die Wortakrobatik
erheitert. Und desillusioniert. Der Zauber der großen Koalition
verfliegt langsam, aber sicher.
Der Koalitionsausschuss des Regierungsbündnisses ähnelt inzwischen
dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Was in diese
Instanz hineingeht, kommt verwässert wieder heraus.
Man kann es auch anders ausdrücken: Im Koalitionsausschuss wird wie
auf dem Basar gefeilscht, wer auf welche Weise seine Wählerschaft
bauchpinseln darf. Das ist das besondere Manko der großen Koalition:
Nach fast einem halben Jahr ist deshalb die Hoffnung auf ebenso große
Würfe geschwunden. Die beiden Volksparteien machen stattdessen
Politik in Trippelschritten, sie nehmen viele Rücksichten, weniger
aufs Geld, als auf Befindlichkeiten.
Einige Ergebnisse von Montagabend sind dafür Zeugnis. Zwölf Monate
plus zwei Vätermonate beim Elterngeld sind plötzlich also keine
Bevormundung der Familien mehr; nun darf auch wieder mit der
Gießkanne das Geld verteilt werden, obwohl das familienpolitisch
unsinnig ist und obwohl ursprünglich diejenigen Nutznießer sein
sollten, die gut verdienen und aus Angst vor dem Karriereknick auf
Kinder verzichten. Auch wenn die Koalitionäre anderes behaupten,
Finanzminister Peer Steinbrück ist bei diesem Kompromiss der große
Verlierer. Nicht das erste Mal wird sein finanzpolitischer Kurs des
Maßhaltens vom Tisch gefegt. Er muss jetzt aufpassen, dass der Hang
der Koalitionäre zur Klientelbefriedigung ihn nicht zum Hans Eichel
des schwarz-roten Bündnisses werden lässt. Der Glaube, durch mehr
Umverteilung von Geld Finanzierungsprobleme lösen zu können, hat
nämlich schon Steinbrücks Vorgänger Eichel den Ruf gekostet.
Schlichtweg atemberaubend ist die Vorgehensweise der großen Koalition
bei der Reichensteuer und der Pendlerpauschale. Insbesondere bei der
Reichensteuer betreibt das Bündnis eine unverfrorene Politik des
kalkulierten Verfassungsbruchs rein aus ideologischen Gründen. Mehr
nicht. Denn dieses Instrument spült ja nicht die Kassen des
Finanzministers voll. Sondern die verfassungswidrige Reichensteuer
soll jene beruhigen, die ab 2007 besonders unter einer höheren
Mehrwertsteuer leiden werden und wohl auch mehr Geld ins
Gesundheitssystem pumpen müssen: die Otto-Normal-Bezahler des
Staates. Das Manöver ist also durchsichtig, der Zweck heiligt schier
die Mittel. Mit Gerechtigkeit hat das nur wenig zu tun.
Drei Jahre sind es noch bis zur nächsten Bundestagswahl. Der Wähler
erwartet bis dahin Zukunftsentwürfe. Die gibt es aber nur, wenn sich
die Koalition schleunigst besinnt; wenn sie sich endlich an mehr wagt
als an einfallslose Konsenspolitik und emotionale Kuschelangebote an
die eigenen Reihen.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=47069
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_47069.rss2

Rückfragen bitte an:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

10269

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Geiselfreilassung Halle (ots) - Offenbar hat sich eine ebenso umsichtige wie konstante Diplomatie der Bundesregierung letztlich ausgezahlt. Die Vermutung liegt nahe, dass hinter den Kulissen über Monate beharrlich verhandelt worden ist, ohne die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen. Diese Taktik ist in unserer Medienwelt schwer durchzuhalten. Diesmal hat es funktioniert. Und zwar deshalb, weil sich auch der Teil von Presse, Funk und Fernsehen Zurückhaltung auferlegt hat, dem die Folgen einer Berichterstattung und das damit verbundene Schicksal von mehr...

  • Rheinische Post: Große Koalition - Kleines Karo Düsseldorf (ots) - Von Stefan Reker Wer beim "Gipfel" der großen Koalition gehofft hat, die große Mehrheit gebe Kraft zu großen Zielen, wird enttäuscht. Das Ergebnis lässt keinen neuen Wagemut erkennen, sondern das alte Kompromiss-Klein-Klein: eins rechts, eins links, eins fallenlassen. Da wächst die Sorge, in der Koalition setze sich vor allem das jeweils Schlechte der beiden Partner durch: von der Union die höhere Mehrwertsteuer, von der SPD die Reichensteuer. Der augenzwinkernde Umgang damit zeigt zudem, dass die große Mehrheit mehr...

  • Rheinische Post: Schutz für Kinder Düsseldorf (ots) - Von Rainer Kurlemann Das Leben beschert seltsame Zufälle. Am Tag, als in Berlin das Elterngeld zur Förderung von Familien beschlossen wird, fällt ein Düsseldorfer Gericht ein Urteil über einen besonders schweren Fall bei Verwahrlosung von Kindern. Das erschütternde Schicksal der fünf Kinder wäre auch durch mehr Geld für die Eltern nicht verhindert worden. Die ausreichende finanzielle Förderung von Familien ist eine tragende Säule für eine gute Kindheit, aber sicher nicht die einzige und schon gar nicht die wichtigste. mehr...

  • Rheinische Post: Endlich frei Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Die beiden im Irak entführten deutschen Ingenieure sind frei. Erleichterung und Freude in der Heimat sind erste verständliche Reaktionen. Das Geiseldrama hätte auch ganz anders ausgehen können. Insofern ist Besinnung am Tag der "Wiedergeburt" der beiden nicht falsch: Wer die chaotische Szenerie im Irak nicht aus den Augen verliert, weiß, wie eng dort Leben und Tod täglich beieinander liegen. Es gab nie eine Gewissheit für die Freiheit und das Leben der beiden. Es gab nie einen Hinweis auf die mehr...

  • LVZ: Großer Tag Leipzig (ots) - Von André Böhmer Selten ist eine Meldung in der täglichen Nachrichtenflut mit soviel Erleichterung und Freude aufgenommen worden. Das fast hunderttägige Geisel-Drama der beiden sächsischen Techniker im Irak hat ein glückliches Ende gefunden. Das Erinnern und Gedenken von Tausenden bei den Mahnwachen an der Leipziger Nikolaikirche, das tägliche Hoffen und Bangen der nächsten Angehörigen um ihre Söhne, Ehemänner und Väter - das alles hat nun zu einem Happy-End geführt, das viele Skeptiker schon nicht mehr für möglich hielten. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht