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Der Winter der Wahrheit / Von Andreas Brey

Geschrieben am 26-10-2020

Regensburg (ots) - Sommerloch 1993. Der Ballermann-Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Niemand ahnt, wie wichtig Mallorca als Reiseziel einmal für deutsche Urlauber werden wird. Niemand, außer ein Bundestagsabgeordneter aus der Oberpfalz. Dionys Jobst hat einen visionären Plan. Er fordert, die Balearen-Insel solle unser 17. Bundesland werden. Damit sorgt der CSU-Mann aus Teublitz (Landkreis Schwandorf) über die Bundesgrenzen hinaus für Schlagzeilen. Wie ernst er die Idee mit der 99-jährigen Erbpacht und einem angeblichen Kaufpreis von 50 Milliarden Mark damals wirklich meinte, dieses Geheimnis hat Jobst mit ins Grab genommen. Doch hätte sein Vorstoß Gehör gefunden, die Mallorquiner wären im Corona-Sommer 2020 als 17. Bundesland besser dran gewesen. Denn den meisten Spaniern geht es schlecht. Mallorca wird wirtschaftlich mit mittelschweren Symptomen durch die Krise kommen. Die Lieblingsinsel der Deutschen - 2019 kamen rund fünf Millionen - ist als Urlaubsdestination zu schön, zu abwechslungsreich und von Deutschland aus zu schnell anzufliegen, um nach der Krise nicht rasch wieder aufzuerstehen. Aber weiten Teilen des übrigen Landes steht der Winter der Wahrheit bevor. Schuld daran ist die Führung. Politisch beispielsweise zeigt sich deutlich, wie wichtig eine stabile Regierung in Krisenzeiten ist. Während in Deutschland - gerade zu Beginn der Pandemie - die Kanzlerin volle Rückendeckung erhielt, fehlt Ministerpräsident Pedro Sánchez dieses Vertrauen. Zwei Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres brauchte er, um überhaupt eine reguläre Regierung hinzubekommen. Im Januar war der Sozialist Sánchez mit mickrigen zwei Stimmen Vorsprung wiedergewählt worden: 167 Ja, 165 Nein, 18 Enthaltungen. Eben jener Sánchez, der im Kabinett keine Mehrheit hat, ist ein wesentlicher Grund dafür, warum es Spanien so schlecht geht. Er riegelte nach dem ersten europaweiten Lockdown und einer kurzen Zeit der Lockerungen das gesamte Land wieder kollektiv ab. Ein Unding. Sánchez schaute auf Fallzahlen, aber nicht auf deren Verteilung innerhalb des Landes. Mit der Brechstange ordnete er von Alicante bis Zamora einen Stillstand an. Die Insel Mallorca, die zu diesem Zeit kaum Infizierte hatte, ächzte zurecht, als der langsam warmlaufende Touristenmotor abgewürgt wurde. Wovon sollen all die Menschen im kalten Winter leben, die in der warmen Jahreszeit ihr Geld verdienen? Die Kellner, Reinigungskräfte, Köche und Souvenirhändler? In Spanien gibt es kein soziales Netz, das mit dem in Deutschland vergleichbar ist. Und hier liegt das Grundproblem: Den Menschen fehlt die Perspektive. Denn die Wirtschaft liegt am Boden. Im August betrug die Arbeitslosigkeit 16,2 Prozent - Platz zwei innerhalb der Europäischen Union. Nur das Dauersorgenkind Griechenland (18,3) steht schlechter da. Und wie bei den Griechen sind nun teure Finanzhilfen nötig. Die ersten 140 Milliarden Euro flossen bereits, um die Patienten auf der Intensivstation am Leben zu erhalten. Doch dabei wird es nicht bleiben. Spanien hatte sich zwar von der letzten großen Wirtschaftskrise (2008 bis 2013) erholt, die Wachstumsraten waren über dem EU-Durchschnitt, aber man vergaß, für schlechte Zeiten vorzusorgen. Ein Fehler, der das Land, aber auch die europäische Solidargemeinschaft teuer zu stehen kommen wird. Spanien mit seinem gigantischen Schuldenberg kann nicht wie Deutschland den Geldhahn aufdrehen und denen unter die Arme greifen, die es in der Krise besonders hart getroffen hat. Am Sonntag wurde erneut der Notstand ausgerufen. Das sorgt für Unruhe und öffnet extremen Parteien an den politischen Rändern die Tür. Dieser Winter wird zeigen, ob es den unterschiedlichen politischen Lagern gelingt, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Der Kampf gegen Corona kann nur gemeinsam gewonnen werden.

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