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Die Gewaltenteilung funktioniert/Ist das Parlament zu wenig an der Pandemiebekämpfung beteiligt? An dieser Frage hat sich eine hitzige Debatte entzündet. Von Jana Wolf

Geschrieben am 22-10-2020

Regensburg (ots) - Es ist starker Tobak, den man in diesen Tagen aus den Reihen der Opposition hört: Der stellvertretende FDP-Chef und Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Kubicki, warnt vor einem "dauerhaften Schaden" für die Demokratie, wenn das Parlament bei Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung nicht stärker eingebunden wird. Linken-Chefin Katja Kipping sieht gar einen "Notstand der Demokratie" kommen und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) befürchtet eine gefährliche Entwicklung weg "von der Legislative hin zu klandestinen Exekutivveranstaltungen". Selten waren sich die Oppositionsparteien in ihren Meinungen so einig - nur führen sie allesamt an der politischen Realität vorbei. Es gibt derzeit keine ernsthaften Anzeichen dafür, dass das politische Kräfteverhältnis nachhaltig beschädigt wird. Dem Bundestag stehen die notwendigen Mittel zur Verfügung, um bei den gesetzlichen Grundlagen für die Corona-Maßnahmen stärker mitzureden. Er müsste sie nur nutzen. Die Parlamentarier sollten mehr handeln, statt zu klagen. Nun lohnt es sich, nachzuforschen, woran sich die Debatte über die mangelnde Parlamentsbeteiligung entzündet hat. Was ist der Auslöser für die große Aufregung der Opposition? Da ist zum einen die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Bund und Länder über die schärferen Beschränkungen beraten haben. Weil jeder Landeschef die eigene regionale und lokale Perspektive in Berlin vertritt, blieb der bundeseinheitliche Kurs am Ende aus. Man mag die Ergebnisse im Detail kritisieren. Doch der Föderalismus führt gerade dazu, dass die Befugnisse nicht bei der Bundesregierung gebündelt, sondern auf 16 Landesregierungen verteilt sind. Hier wird nicht von Berlin aus durchregiert, sondern Macht auf mehrere Schultern verteilt. Das ist ein Gewinn für das politische Kräfteverhältnis in der Pandemie. Ein zweiter Auslöser für die Debatte ist ein neuer Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er sieht unter anderem vor, dass der Minister den Reiseverkehr stärker kontrollieren und Vorschriften für Flug- und Seehäfen erlassen kann, wenn es die Infektionslage erfordert. Doch der Bundestag kann intervenieren, wenn er es für notwendig erachtet. Ihm wird das Recht eingeräumt, Verordnungen abzuändern oder aufzuheben. Auch hier läuft die Kritik einiger Parlamentarier ins Leere. Sie müssen die Hebel der Legislative nutzen, die ihnen gegeben sind. Zwei Anlässe, doch zu wenig gute Gründe. Bei der Empörung der Opposition spielt die Sorge um den eigenen Bedeutungsverlust eine entscheidende Rolle. Wir steuern nicht nur auf einen harten Winter voller Corona-Beschränkungen zu, sondern auch auf ein heißes Bundestagswahljahr. Das weiß freilich auch die Opposition und will sich als Hüterin der demokratischen Gewaltenteilung in Szene setzen. Dieses Kalkül ist durchschaubar. Diese heikle Phase steigender Infektionszahlen und neuer Rekordwerte ist nicht die Zeit für parteipolitische Profilierung - zumal nicht mit unausgereiften Argumenten. Doch natürlich muss es auch in harten Corona-Zeiten Kritik an der Exekutive geben. Gerade weil den Regierenden weitreichende Befugnisse an die Hand gegeben sind und für viele Maßnahmen die gesetzliche Grundlage noch fehlt, muss es Kontroverse und Kontrolle geben. Jetzt mehr denn je. Deswegen ist es ein gutes Zeichen, wenn Gerichte sinnlose Regeln wie etwa das Beherbergungsverbot wieder kassieren. Die Arbeit der Judikative zeigt, dass die Gewaltenteilung funktioniert. Nicht nur unter den Parlamentariern, auch unter den Regierenden macht sich der Profilierungsdruck zunehmend bemerkbar. In beiden Fällen lohnt es sich, nicht nur auf zugespitzte Worte zu hören. Die Taten sind meist aufschlussreicher.

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