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DIW-Studie: Kohleausstieg muss bis 2030 kommen - zwei Drittel des gesamten deutschen Emissionsbudgets bereits in 20 Jahren aufgebraucht

Geschrieben am 13-02-2020

Berlin (ots) - Die Kohlepolitik der Bundesregierung ist ein Irrweg. Mit ihrem
Kohleausstiegsgesetz reißt die Große Koalition alle europäischen und globalen
Emissionsminderungsziele - und ihre eigenen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND) verfasste Studie. Ohne Korrekturen und eine
deutliche Beschleunigung führt dieser Ausstiegspfad in ein klimapolitisches
Desaster.

Die Studie kurzgefasst: Ein Kohleausstieg bis 2030 und ein schneller Ausbau
Erneuerbarer Energien sind zur Erreichung der europäischen und globalen
Emissionsminderungsziele essentiell. Das deutsche Emissionsbudget, welches im
Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen ist, ist andernfalls 2040 ausgereizt.
Die Inbetriebnahme des Kraftwerks Datteln IV erhöht die Mehremissionen trotz
angeblicher Kompensationen drastisch. Das weitere Abbaggern von Dörfern für
Kohle ist zwar politisch gewollt, aber energiepolitisch absolut unnötig.

"Die Berechnungen belegen, dass bei gleichbleibendem Ausbau der Erneuerbaren
Energien und dem vorgelegten Abschaltplan für Braun- und Steinkohlekraftwerke
die Klimaziele nicht erreicht werden können, wenn nicht gegengesteuert wird. Ein
Großteil des Deutschland zur Verfügung stehenden Emissionsbudgets wäre mit
diesem Plan bereits frühzeitig durch die Energiewirtschaft aufgebraucht", sagt
Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt beim DIW.
"Vergleicht man den Gesetzentwurf mit den ursprünglichen Empfehlungen der
Kohlekommission, werden hier bis 2040 circa 134 Millionen Tonnen mehr CO2
ausgestoßen."

Eine schnelle Abschaltung von Steinkohlekraftwerken verringert zwar kurzfristig
die Emissionen. Durch das späte Abschalten von schmutzigeren
Braunkohlekraftwerken sind sie dann allerdings nach 2030 deutlich höher als
anvisiert. Allein durch die Inbetriebnahme des umstrittenen Steinkohlekraftwerks
Datteln IV in Nordrhein-Westfalen werden dem DIW zufolge zusätzlich 40 Millionen
Tonnen CO2 ausgestoßen - und das trotz der Abschaltungen zusätzlicher
Kapazitäten.

"Um die europäischen und globalen Emissionsminderungsziele zu halten, braucht es
einen Kohleausstieg bis 2030 und einen schnelleren Ausbau Erneuerbarer
Energien", so Kemfert. Doch der Deckel für Photovoltaik und die umstrittenen
Mindestabstandsregeln für Windenergie verhindern den notwendigen Ausbau der
Erneuerbaren. Für eine erfolgreiche Energiewende müssten Erneuerbare Energien
laut der Studie bis 2030 einen Anteil von 75 Prozent betragen. Dies entspricht
einem Zubau von jährlich 9,8 Gigawatt (GW) Photovoltaik und 5,9 GW Wind Onshore.

"Das Kohleausstiegsgesetz ist ein gezielter Plan, den Kohleausstieg dauerhaft zu
verzögern, und mit inakzeptabel hohen Entschädigungen verbunden. So würde es zum
Hemmschuh für den kurzfristig notwendigen Klimaschutz und läutet eine neue Phase
der klimapolitischen Konflikte in Deutschland ein, statt sie zu lösen", sagt
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND.

"Das Gesetz spricht dem Ergebnis der Kohlekommission, das ohnehin nur ein
Minimalkonsens war, Hohn. Es ist ebenso das Versagen der Führungen der
Kohle-Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Anstatt den Lebensraum und die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, haben
sie in den Verhandlungen allein die Interessen der Kohleindustrie vertreten und
sich so auch vom Kompromiss verabschiedet", so Bandt. In der Kohlekommission
hatte erstmals Politik, Wissenschaft, Industrie, Umweltverbände und
Gewerkschaften in einem echten Dialog diese entscheidende klimapolitische Frage
diskutiert und Vorschläge gemacht.

"Der aktuelle Gesetzentwurf der Regierung macht diesen Konsens kaputt", so
Bandt. "Das Gros der Braunkohlekraftwerke wird erst nach 2034 abgeschaltet. Und
als wäre das nicht schlimm genug, erhalten die Betreiber der Dreckschleudern
dafür auch noch hohe Entschädigungen aus der Steuerkasse. Das alles für ein
Auslaufmodell wie Braunkohle." Bandt appelliert an Bundestag und betroffene
Bundesländer diesen Entwurf zu stoppen und zum gesellschaftlichen Kompromiss der
Kohlekommission zurückzukehren.

Aber diese Politik geht den Menschen nicht nur an den Geldbeutel, sondern
bedroht zudem real Existenzen, wie die Studie an der von der Regierung geplanten
Festschreibung der Auskohlung des Tagebaues Garzweiler zeigt. "Die weitere
Auskohlung in Garzweiler ist absolut unnötig", sagt Dirk Jansen, Geschäftsleiter
des BUND Nordrhein-Westfalen. "Es ist absurd, dass heutzutage noch Dörfer für
klimaschädliche Braunkohle geopfert werden sollen."

Die ganze klimapolitische Absurdität dieser Politik wird am Steinkohlekraftwerk
Datteln IV deutlich. "Den Kohleausstieg ausgerechnet mit der Inbetriebnahme
eines neuen Kohlemeilers zu beginnen, ist absurd und ein eklatanter Verstoß
gegen die Empfehlungen der Kohlekommission. Datteln IV hat nicht einmal eine
rechtskräftige Genehmigung", sagt Jansen.

Das Kraftwerk steht nur etwa 450 Meter von einer Siedlung und kaum weiter von
einem Kinderkrankenhaus entfernt. Es stößt gesundheitsschädliche Feinstäube und
Schwermetalle wie Quecksilber aus. Über die Abluft aus dem Kühlturm werden die
europarechtlich geschützten FFH-Gebiete der Cappenberger Wälder belastet. "Das
Kraftwerk schädigt Mensch, Natur und Klima. Wir haben den Hambacher Wald
gerettet, jetzt müssen wir Datteln IV verhindern", so Jansen.

Aufgrund der Klage des BUND kippten Gerichte schon einmal die Genehmigungen zum
Bau und Betrieb des Kraftwerks. Doch obwohl die Probleme die gleichen blieben,
erteilte das Land NRW eine neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gegen
beide Verwaltungsentscheidungen sind Klagen des BUND anhängig. Genauso wie gegen
den Bau des Kohlehafens.

Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung Klimaschutz endlich ernst nimmt
und wirksame Maßnahmen nicht länger blockiert. Nur so kann sie Antworten auf die
Fragen der Zukunft liefern.

Mehr Informationen:

Die vom BUND beauftrage DIW-Studie "Klimaschutz statt Kohleschmutz: Woran es
beim Kohleausstieg hakt und was zu tun ist" finden Sie unter:
www.bund.net/kohleausstieg-studie
BUND-Online-Aktion "Raus aus der Steinzeit - Nein zu Datteln 4!":
www.datteln-4-stoppen.de

Pressekontakt:

Kontakt:
Juliane Dickel, Leitung Atom- und Energiepolitik beim BUND, Tel.:
030-27586-562, juliane.dickel@bund.net
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Abteilung
Kommunikation, Pressestelle, presse@diw.de

BUND-Pressestelle:
Sigrid Wolff | Daniel Jahn | Judith Freund | Heye Jensen
Tel. 030-27586-425 | -531 | -497 | -464 | E-Mail: presse@bund.net,
www.bund.net

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/7666/4519678
OTS: BUND

Original-Content von: BUND, übermittelt durch news aktuell


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