(Registrieren)

Der Brexit überschattet alles. Das Jahr 2020 wird dominiert werden von harten Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien. Die Zeit für einen Deal wird knapp. Von Jochen Wittmann

Geschrieben am 14-01-2020

Regensburg (ots) - Boris Johnson würde das Wort am liebsten verbieten. Vom
Brexit soll keiner mehr reden im neuen Jahr, das erst rund zwei Wochen alt ist.
Das "Ministerium zum Verlassen der EU", so lauten die Pläne der Regierung, wird
abgeschafft, sobald der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union am
31. Januar erfolgt. Es sei Zeit, "die Blockade zu überwinden und den Brexit zu
vollenden", sagte der Premierminister im Unterhaus. Statt in "Remainers" und
"Leavers", in Europafreunde und Brexit-Fans geteilt zu sein, sollte das Land
jetzt zusammenkommen und einen Prozess der Heilung beginnen. Es ist ein frommer
Wunsch. Das Jahr 2020 wird, so sehr sich Boris Johnson auch etwas anderes
wünschen mag, weiterhin dominiert werden vom Streit um den Brexit. Zwar wird der
Regierungschef sein Austrittsgesetz bis spätestens zum 23. Januar ratifiziert
haben. Das Unterhaus hat dem Entwurf bereits zugestimmt. Doch angekommen in
einer neuen Beziehung zum größten Wirtschaftsraum der Welt ist das Vereinigte
Königreich damit noch lange nicht. Nach dem formalen Austritt am 31. Januar
beginnt eine elfmonatige Übergangsphase, in der die Vorschriften des
Binnenmarktes weiter gelten. In dieser Zeit wird Großbritannien versuchen, mit
der EU ein umfassendes Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Dann, am 31. Dezember
2020, soll nach dem Willen von Premierminister Johnson endgültig Schluss sein:
Eine weitere Verlängerung der Übergangsphase ist jetzt gesetzlich
ausgeschlossen. Ob es das Königreich schaffen wird, in dieser eng bemessenen
Frist einen Deal zu bekommen, ist mehr als fraglich. Experten halten allenfalls
ein Minimalabkommen in dieser Zeit für möglich. Ohne einen umfassenden
Freihandelsvertrag müsste Großbritannien seinen Außenhandel nach den Regeln der
Welthandelsorganisation WTO führen, also Quoten, Zolltarife und nicht-tarifäre
Handelshemmnisse akzeptieren. Damit steht erneut die Drohung eines harten Brexit
ins Haus, diesmal zum Ende des Jahres. Das ist Boris Johnson vielleicht sogar
ganz recht so. Und den Brexit-Hardlinern in seiner Partei ebenfalls. Denn sie
sehen, wie es Johnson vor einem Jahr in einem programmatischen Essay
formulierte, im Brexit "eine Chance für Großbritannien, dynamischer und
erfolgreicher zu werden", indem man sich deutlich gegen die Konkurrenz vom
Kontinent positioniert. Da stehen sie ganz in der Tradition des
Neo-Thatcherismus. Erst einmal befreit von den europäischen Ketten, schrieb
Johnson über die Chancen des Brexit, würde das Land zum Champion des
Freihandels. "Millionen von Jobs werden verschwinden", feierte er das Prinzip
der kreativen Zerstörung, "aber Millionen neuer Jobs werden geschaffen". Und
sogar noch mehr: Man gewinne "regulatorische Freiheit" zurück, könne Steuern
kürzen und eine Einwanderungspolitik betreiben, "die zu Großbritannien passt".
Deswegen fordert der Premierminister entschlossen "Divergenz" zum europäischen
Modell. Sein Freihandelskonzept läuft auf ein Singapur am Westrand Europas
hinaus: ein Land mit niedrigen Steuern, reduzierten Standards im Arbeitsrecht
etwa oder beim Umwelt- und Verbraucherschutz. Das sogenannte "level playing
field" - also das Befolgen gemeinsamer Regularien, um gleiche
Wettbewerbsbedingungen zu garantieren - lehnt man ausdrücklich ab. Das kann
Europa nicht gefallen. Das Jahr 2020 wird dominiert werden von harten
Verhandlungen zwischen der EU und dem Königreich. Das Ziel eines reibungslosen
Handels, wie es Johnsons Vorgängerin Theresa May noch verfolgt hatte, ist passé.
Stattdessen setzt der neue Regierungschef in der Downing Street auf Konkurrenz
zur EU. Ihm muss allerdings dann klar sein, dass Großbritannien wie jedes andere
Drittland behandelt wird.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4492064
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

717523

weitere Artikel:
  • zur Entscheidung von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), bei der Stuttgarter OB-Wahl nicht als Spitzenkandidatin ihrer Partei anzutreten Stuttgart (ots) - Die Namen, die auf grüner Seite jetzt gehandelt werden - Stuttgarts Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann und die Fraktionsvize im Landtag, Thekla Walker - sind weniger prominent, was nicht heißt, dass sie als OB-Kandidatinnen grundsätzlich weniger geeignet wären. Die Herausforderung für die Grünen wird jedoch größer. Pressekontakt: Stuttgarter Nachrichten Chef vom Dienst Joachim Volk Telefon: 0711 / 7205 - 7110 cvd@stn.zgs.de Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/39937/4492060 OTS: mehr...

  • Widerwärtig / Kommentar von Rainer Schlender zur Awo Mainz (ots) - Die Ruhe war trügerisch. Wochenlang wurde jede neue Enthüllung über das skandalöse Geschäftsgebaren bei der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt und Wiesbaden gelangweilt mit dem Hinweis quittiert, bald werde es Transparenz und einen Neuanfang geben. Krisensitzungen wurden einberufen, Sonderermittler berufen; ein Interventionsteam des Bundesverbandes kam und wurde freundlich wieder nach Hause geschickt. Während ringsumher die Menschen mit Unglauben die Meldungen über das pralle Leben der Awo-Führungskaste hörten und lasen, saß mehr...

  • Kommentar / Frontland Libyen = Von Holger Möhle Düsseldorf (ots) - Frieden ist ein großes Wort. Erst recht in einem Land wie Libyen. Und manchmal braucht es dafür große Konferenzen, mächtige Akteure und sehr viel guten Willen. Die großen Worte daneben gibt es gratis. An diesem Sonntag soll in Berlin auf höchster Ebene der Staats- und Regierungschefs eine internationale Friedenskonferenz für Libyen den Weg für einen Friedensprozess aufzeigen und einleiten. Ein dauerhafter Waffenstillstand wäre schon eine Sensation für ein Land, in dem Chaos mehr herrscht als die eigene Regierung. mehr...

  • Kommentar / Vereine müssen sich mehr Fragen stellen = Von Alev Dogan Düsseldorf (ots) - Der Anwalt aus der rechtsextremistischen Szene hat seine Mitgliedschaft im Karnevalsverein "Narrencollegium" beendet. Ist der Fall somit erledigt? Nein, denn es geht um die Geschichte hinter der Geschichte, und die liegt in einer simplen Frage: Leben wir, was wir predigen? Das "Narrencollegium" wies in einer Stellungnahme Vorwürfe des Extremismus zurück. Man müsse schließlich nur mal einen Blick auf die politischen und demokratiefreundlichen Motive seiner Rosenmontagswagen werfen. Nun, abgesehen davon, dass niemand mehr...

  • Unwort des Jahres: Eine Mahnung,das schon / Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Allerdings gehört zur Wahrheit dazu, dass nicht jeder, der vor einem hysterischen Umgang mit dem Thema warnt, sämtliche Klimaschützer deshalb gleich zu Neurotikern stempelt. Und schon gar nicht muss ein solcher Mahner zugleich ein Leugner der menschengemachten Erderwärmung sein. Es ist eines, im Sinn einer fairen öffentlichen Auseinandersetzung auf sprachliche Präzision zu dringen. Es ist etwas anderes, Vertretern verschiedener Meinungen pauschal Wissenschaftsfeindlichkeit oder Fanatismus zu unterstellen. Denn mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht