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Kanzler Söder? / In der Union hat der Poker um Merkels Nachfolge begonnen. Nach Kramp-Karrenbauers Patzern rückt der CSU-Chef als möglicher Kandidat in den Fokus.

Geschrieben am 30-12-2019

Regensburg (ots) - Von Konrad Adenauer ist überliefert, dass er sich am
Wahlabend zu Bett begab. Am nächsten Morgen ließ sich der erste Bundeskanzler
darüber informieren, dass die Union die Bundestagswahlen gewonnen hatte. Das
waren Zeiten. Rund sechs Jahrzehnte später ist die politische Situation
gründlich verändert. Die Herausforderungen sind viel komplizierter, globaler als
zu Adenauers Zeiten. Frühere Stammwählerschaften bröckeln. Die Bindung an und
Vertrauen in bestimmte Parteien verflüchtigen sich. Klassische und sogenannte
soziale Medien agieren hektischer, aber nicht unbedingt seriöser, verstärken
rasch Stimmungen in die eine oder andere Richtung. Nach der bereits länger
siechenden SPD wurde im ablaufenden Jahr auch die Union, vor allem die CDU, von
einem Strudel der Unsicherheit und Unwägbarkeit erfasst. Zwar gab es mit
Annegret Kramp-Karrenbauer - Ende 2018 in Hamburg mit äußerst knapper Mehrheit
gewählt - und Markus Söder neue Vorsitzende, doch über eine wirkliche
Führungsfigur verfügt die Union derzeit nicht. Insofern ist es nicht
verwunderlich, dass die Kanzlerin mit der Raute, Angela Merkel, derweil eine Art
Comeback erlebt. Vor vier Jahren wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik fast
vom Hof gejagt und von Seehofer lange Zeit angegiftet, rückt die
Langzeit-Kanzlerin mit bekannt gegebenem Verfallsdatum in den Umfragen nach
vorn. Auch das ist ein Hinweis dafür, dass der Union eine neue, führungsstarke
Persönlichkeit nach Merkel fehlt. Gewiss könnte man einwenden, dass auch Helmut
Kohl, dem Franz Josef Strauß die Eignung als Regierungschef einst rundweg
absprach, oder eben Merkel im Amt gewachsen sind. Doch wirklich für den obersten
Regierungsposten prädestiniert, scheint keiner der infrage kommenden
Kandidaten-Aspiranten. CDU-Chefin AKK nicht, die kaum ein Fettnäpfchen auslässt,
in das sie tritt. Auch dem in die Jahre gekommenen Politrentner und heutigen
Finanzmanager Friedrich Merz wird kaum der große Wurf zugetraut. Der ehrgeizige
Gesundheitsminister Jens Spahn wird zwar von jungen Unionspolitikern euphorisch
gefeiert, doch seine Zeit kommt möglicherweise erst noch. Und der brave
nordrhein-westfälische Landesvater Armin Laschet würde schon wollen, doch können
hat er sich nicht getraut, wie das wohl Karl Valentin ausdrücken würde. Der
Kandidaten-Poker innerhalb der Unionsparteien ist gleichwohl längst im Gange,
wenngleich er sich noch weitgehend im Verborgenen abspielt. Für den Rest der
Republik außerhalb des weiß-blauen Freistaats eröffnet sich mittlerweile sogar
überraschenderweise die Vision eines Kanzlerkandidaten von der CSU. Auch wenn
Markus Söder kluger- und vor allem taktischerweise jedwede Ambitionen auf das
Kanzleramt weit von sich weist, könnte es im nächsten Jahr auf den Franken
zulaufen. Söder wäre nach den gescheiterten Kandidaturen von Strauß 1980 und
Edmund Stoiber 2002 der dritte CSU-Bewerber für das höchste deutsche
Regierungsamt. Für ein Antreten Söders spricht, dass er die CSU nach den zuletzt
schwachen Wahlergebnissen stabilisieren konnte. Er wäre eine moderne
konservative Alternative zu Grünen oder der nach links driftenden SPD. Als
Ministerpräsident hat er sich erstaunlich wendig erwiesen, wenn es galt neue
Entwicklungen aufzunehmen, etwa den Klima- und Naturschutz nach vorn zu rücken.
Er könnte auch von der Lähmung innerhalb der CDU profitieren. Gegen Söder, der
bereits einmal den Gang nach Berlin ablehnte, spricht allerdings, dass im Rest
der Republik CSU-Kanzlerkandidaten einen schweren Stand haben. Ausschließen
sollte man Söders Kandidatur allerdings nicht. Das kommende Jahr dürfte nicht
weniger turbulent werden wie das zu Ende gehende.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4480667
OTS: Mittelbayerische Zeitung

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