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Experte Prof. Dr. Einsele: Europa hinkt bei Krebsforschung hinterher

Geschrieben am 03-06-2019

München (ots) - "Wir haben bei der Behandlung von
Krebserkrankungen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte
gemacht", erzählt der renommierte Krebsspezialist Prof. Dr. med.
Hermann Einsele vom Uniklinikum Würzburg im Pharma Fakten-Interview.
Gleichzeitig spricht er eine Warnung aus: "Gerade bei den neuen
Immuntherapien [...] hinkt Europa und auch Deutschland deutlich den
Fortschritten in den USA und in China hinterher."

http://ots.de/QWOC6O

Über die letzten Jahre und Jahrzehnte konnten durch intensive
Forschung enorme Fortschritte in der Krebstherapie erzielt werden.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Prof. Dr. med. Hermann Einsele: Ein sehr gutes Beispiel, mit dem
ich mich in den letzten Jahren intensiv beschäftigen konnte, sind
Patienten mit Multiplen Myelom. Noch in den 90er Jahren galt eine
Überlebenszeit von zwei bis drei Jahren als Standard für einen
Patienten mit Multiplen Myelom. Inzwischen gehen wir davon aus, dass
mit all den neuen Behandlungsoptionen das mittlere Überleben des
älteren Patienten bei etwa sechs Jahren und bei jüngeren Patienten
bei zehn Jahren liegt. Jetzt laufende Studien zielen bereits darauf
hin, das Progressionsfreie Überleben in Richtung zehn Jahre zu
verlängern! Außerdem gehen wir davon aus, dass jüngere
transplantationsfähige Patienten, die eine komplette Remission nach
Stammzelltransplantation erreichen, ein langfristiges
krankheitsfreies Überleben erreichen können und dass dies tatsächlich
bei etwa 20 Prozent der Patienten gelingt.

Große Hoffnungen liegen aktuell auf der CAR-T-Zelltherapie. Zwei
Vertreter sind bereits gegen bestimmte Formen von Blutkrebs
zugelassen. Wird CAR-T irgendwann auch bei anderen Tumoren zum
Einsatz kommen können?

Einsele: Bereits jetzt ist abzusehen, dass bei Patienten mit
Multiplen Myelom wahrscheinlich 2020 die CAR-T-Zellen für Patienten
mit fortgeschrittener Erkrankung zugelassen werden. Beim Myelom und
auch bei den lymphatischen Neoplasien wird der Einsatz der
CAR-T-Zellen zunehmend in früheren Therapielinien diskutiert und sehr
wahrscheinlich auch zum Einsatz kommen. Entscheidend wird für die
Zukunft der Tumortherapie sein, ob auch bei akuter myeloischer
Leukämie - hier bin ich relativ optimistisch - und bei soliden
Tumoren CAR-T-Zellen effektiv sein werden. Bei den soliden Tumoren
gibt es interessante Ansätze und auch hier bin ich (noch gedämpft)
optimistisch, dass die CAR-T-Zellen ebenfalls die Prognose von
verschiedenen soliden Tumoren verbessern werden.

Das Bundesforschungsministerium hat im Januar gemeinsam mit dem
Bundesgesundheitsministerium und weiteren Partnern die "Nationale
Dekade gegen Krebs" gestartet. Wird in Deutschland genug getan,
damit Forschungsergebnisse möglichst schnell bei den Patienten - in
Form von innovativen Therapien - ankommen?

Einsele: Ich denke, die "Nationale Dekade gegen Krebs" ist sehr,
sehr wichtig! In den USA ist die Krebskrankheit bereits die häufigste
Todesursache und wird dies in Europa auch sehr rasch werden! Umso
mehr müssen wir tun, um die Prophylaxe, Frühdiagnostik und
frühtherapeutischen Möglichkeiten für Krebspatienten zu verbessern.
Ich hoffe, dass die "Nationale Dekade gegen Krebs" ausreichend
finanziert werden wird, um Forschungsergebnisse voran zu bringen und
diese möglichst schnell beim Patienten ankommen zu lassen. Gerade bei
den neuen Immuntherapien wie bispezifischen Antikörpern und vor allem
CAR-T-Zellen hinkt Europa und auch Deutschland deutlich den
Fortschritten in den USA und in China hinterher. Es sind weniger als
zehn Prozent der Studien mit CAR-T-Zellen in Deutschland und Europa
verfügbar. Dies muss sich ändern, damit nicht, was jetzt bereits
passiert, deutsche Patienten zur Behandlung für teures Geld in die
USA oder nach China gehen. Auch die Entwicklungsarbeiten zu den neuen
Immuntherapeutika müssen besser gefördert werden, damit wir nicht in
der Zukunft sehr teure im Ausland präklinisch und klinisch
entwickelte z.B. CAR-T-Zellen aus China und USA einkaufen müssen.
Hier sollten wir den Schulterschluss zwischen der Akademia und den
innovativen Biotechfirmen fördern, damit die weitere Entwicklung in
diesem neuen, sehr zukunftsträchtigen und wirtschaftlich
interessanten Forschungs- und Therapiefeld auch von Europa und vor
allem von Deutschland aus gestaltet werden kann.

Immer wieder kursieren Behauptungen, nach denen Krebs irgendwann
heilbar ist. Was halten Sie davon?

Einsele: Wir haben bei der Behandlung von Krebserkrankungen in den
letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. So sind eine Reihe
von Krebserkrankungen inzwischen heilbar. Hier sind vor allem die
operativen, strahlentherapeutischen Verfahren bei lokalisierten
Tumorerkrankungen extrem erfolgreich. Aber auch die Chemotherapie hat
dazu beigetragen, bei fortgeschrittenen Tumoren sehr gute
Ansprechraten und zum Teil auch Heilungen zu bewirken. Die
zielgerichtete Therapie hat bei einzelnen Tumorerkrankungen einen
großen Erfolg gezeigt, ist aber mit dem Problem konfrontiert, dass
die Tumore sehr häufig Resistenzmechanismen gegen gezielte Therapien
entwickeln, sodass letztendlich nur bei der chronisch myeloischen
Leukämie ganz langfristige Therapieerfolge erreicht werden konnten.
Die größten Fortschritte werden derzeit mit der Immuntherapie
erreicht. So sind die Checkpointblocker bei einer Fülle von
Tumorerkrankungen und mit erstaunlichen Erfolgsraten und
langfristigen Remissionen im Einsatz. Darüber hinaus kommen die
bispezifischen Antikörper und CAR-T-Zellen - vor allem CAR-T-Zellen -
jetzt zunehmend in den Routine-Einsatz in der Klinik! Hier dürfen wir
noch deutliche Fortschritte erwarten. Allerdings hat die
Vergangenheit gezeigt, dass Tumore auch gegen immer wieder neue
Therapien Resistenzen entwickeln können, sodass ich mit einer Aussage
zur Heilbarkeit aller Tumorerkrankungen sehr zurückhaltend bin. Ich
gehe aber davon aus, dass die Entwicklungen - hoffentlich unterstützt
durch die BMBF-Initiative "Nationale Dekade gegen Krebs" - zu einer
erheblichen Verbesserung der Vorsorge, der Früherkennung und der
Behandlung von vielen Tumorerkrankungen und auch zur Heilung von
verschiedenen derzeit noch nicht heilbaren Formen einer
Krebserkrankung führen werden.

Das Interview finden Sie auch auf Pharma Fakten:
http://ots.de/TlH56O.



Pressekontakt:
Redaktion Pharma Fakten
www.pharma-fakten.de
E-Mail: redaktion@pharma-fakten.de
http://twitter.com/pharmafakten

Original-Content von: PHARMA FAKTEN, übermittelt durch news aktuell


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